Eigentlich würden wir noch gerne in Zittau verweilen. Da wir aber die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten von früheren Aufenthalten kennen, zieht es uns weiter Richtung Norden. Die App Park4Night schlägt uns den Campingplatz Biehainer Seen vor. Unser Herz schlägt höher: Das klingt ja vielversprechend. Die Zufahrt erleben wir recht abenteuerlich. Habe ich mich bei der Angabe der Koordinaten vielleicht geirrt? Das hatten wir schon einmal und sind mitten in Lettland tief im Wald gelandet. Eine Schranke stoppt unsere Gedanken und unser Wohnmobil. Mit drei Euromünzen wird uns die Zufahrt gewährt. „Oh, ein Plätzchen für zwei Nächte? Das wird schwierig. Wollen wir mal schauen…“, meint die freundliche Rezeptionistin. Kein Wohnmobil weit und breit. Dafür jede Menge Wohnwägen, die mit Holz zu kleinen Ferienwohnungen erweitert wurden. Zeltplanen umspannen Terrassen und Vorgärten. Entlang des Biehainer Sees reihen sich schmucke Bungalows. Wir finden ein Plätzchen, mitten im Föhrenhain, der hier und dort Roteichen heranwachsen lässt. Wir sind umgeben von mehr als 200 Dauercampern, die dem riesigen Waldareal eher die Atmosphäre eines Feriendorfes als eines Campingplatzes verleihen. Selbst SAT-TV und WLAN funktionieren; die Sanitäranlagen lassen keine Wünsche offen.
Heute sind einige Putz- und Aufräumarbeiten vorgesehen. Wir gehen den Nachmittag gemütlich an. Schließlich müssen die vielen Eindrücke verarbeitet werden, im Gehirn und im Computer. Hunderte Fotos warten auf ihre Benennung und Einordnung. Storys warten darauf, getippt zu werden. Erst als die Sonne ihre warmen Strahlen zähmt, holen wir wieder unsere Klappräder aus der Garage. Die Runde um das weitläufige Seen- und Teichgebiet beziffert sich am Ende des Tages mit gut 12 Kilometern. Wenig verwunderlich, dass ich wieder einen Stopp einfordere, als wir an einer Blumenwiese vorbeiradeln. Mein Mann macht es sich gemütlich im Straßengraben, derweil ich in das bunte Blumenreich eintrete. Acker-Hundskamillen dominieren und bieten Honigbienen, Käfern und Wanzen ihren Nektar an. Rainfarn-Phazelien und Inkarnatklee, der Scharfe Hahnenfuß und die Frühlingswicke streuen alle Regenbogenfarben in das Hundskamillen-Weiß. Ich halte das Wiesengemälde, den Zipfelkäfer und die Schwarze Gemüsewanze mit dem Handy fest. Zum Glück. In der Canon Powershot Kamera steckt keine Bildkarte. Sie wartet noch im Slot des Laptops auf ihre Befreiung. Unsere Radtour führt uns durch Biehain und Kaltwasser, liebliche Orte mit blühenden Vorgärten. Die Straßen sind wenig befahren, was der Feldgrille das Leben rettet. Sie schickt sich an, das Asphaltband zu überqueren. Da muss ich intervenieren, nicht, ohne meinen Lohn einzufordern. Zuerst ein Porträt, dann eine Überquerungshilfe, die sicherstellt, dass die Grille an der gegenüberliegenden Straßenseite heil ankommt.
Eine angenehme Müdigkeit hat sich in unsere Glieder geschlichen, und der Magen meint, dass das Sojawürstel zu Mittag den Kalorienverbrauch nicht ausgleichen konnte. Beiden Bedürfnissen geben wir gerne nach. Die Füße hochgelagert, der Abendschmaus auf dem Campingtisch ausgebreitet begleiten meine Augen die roten Föhrenstämme bis dorthin, wo ihre Kronen schwankend den Himmel berühren. Mein Mann aber bleibt am Boden und ruft entzückt: „Schau, ein Eichhörnchen!“
© Gabriele_Krele-Art 2023-06-02