Waldviertel

Gabriele Leeb

von Gabriele Leeb

Story
Waldviertel 2022

Ich sitze auf dem Sofa und halte eine Tasse Tee in meiner Hand. Gedankenverloren drehe ich die Tasse in meinen Händen. Meine Seele ist zurzeit irgendwie verloren.

Simba, mein Kater, sieht mich mit diesem verständnisvollen Blick an, der mir sagt, ich verstehe dich. Ich kann dir bis auf den Grund deiner Seele schauen. Ich empfinde große Dankbarkeit gegenüber diesem wunderbaren Wesen.

Schon ist die Dunkelheit hereingebrochen und die Temperatur sinkt. Ich liebe das Waldviertel und meinen Heimatort. Ich fühle mich verbunden mit dieser Landschaft, besonders jetzt im Herbst. Hier sind meine Wurzeln, hier bin ich daheim. Das Waldviertel bin ich. Warm und berauschend, dann wieder rau und etwas melancholisch. Heute hatten wir Morgenfrost und die Wiese lag da mit einer weißen Decke. Die Sonne hat sie weggezaubert und das Grün erstrahlte wieder. Hugo von Hofmannsthal hat geschrieben, dass im Spätherbst die Häuser durchsichtig werden, ich liebe diese Ausdrucksweise und auch die Vorstellung. Die Bäume und Sträucher vor den Fenstern haben ihre Blätter abgeworfen und nun hat man freie Aussicht und Einsicht.

Es heißt immer, der Waldviertler sei eigenbrötlerisch und wortkarg, etwas weltfremd und in sich gekehrt. Natürlich gibt es auch diese Exemplare, aber die meisten sind offen und warmherzig und nicht so rückständig, wie die Landschaft manches Mal vermuten lässt. Zuerst oft zurückhaltend, doch nach längerem Kennenlernen öffnen sich die Herzen und fliegen dir zu. Facettenreich, so wie die Naturschönheiten. Sicher gibt es auch jene, mit denen man nicht warm wird, aber das ist ja nicht auf eine Region beschränkt. Die gibt es überall.

Wenn dann im Winter die Schneeflocken durch die Luft wirbeln und ich mit dicker Jacke und Haube durch den klirrenden Schnee stapfe, dann wird sich auch meine Seele wieder gefunden haben im Waldviertel, in meinem Seelenort!

Dort, wo die Schmetterlinge im Sommer tanzen, die Blätter im Herbst den Boden verzieren und im Winter der Schnee die Felder sanft bedeckt und im Frühling wieder die Lebenslust erwacht, da bin ich geboren und geborgen!

Foto: Nationalpark Thayatal

© Gabriele Leeb 2022-10-20

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Inspirierend