Wandelnde Perlen

Lisa Stenech

von Lisa Stenech

Story

Es gab Momente im Leben, die waren hart. Sie trieben einen bis an die oberste Schmerzensgrenze, nur um dessen Belastbarkeit wie die Dehnung eines Gummibands auszutesten. Und dann kamen Zeiten, die die Linie überschritten. Und wie man sich an jenem Punkt noch davor bewahren konnte, den Tod wie einen alten Freund zu begrüßen, wusste ich nicht.

Mein Kissen war tränendurchtränkt, durch meinen Kopf rauschten alle Gedanken, die mich früher oder später sowieso zu Fall bringen würden. Hauptsächlich rasten die Sorgen um die Angst vor dem Versagen. Die blickdichte Hülse meines Lebens wirkte makellos und magisch. Andere verstanden mich nicht. Wie konnte ich auch so denken mit meinem Glück und dem Werkzeug, das ich auf dem Weg gesammelt hatte, wie konnte ich so einsam sein?

Die weiße Wand vor mir begann sich zu drehen. Ich spürte, wie jene über mir immer näher kam und mir kaum noch Luft zum Atmen ließ. Die trügerisch hellen Wände umschlossen mich wie eine quaderförmige Pappverpackung die ovale Seife. Ich könnte jemanden meiner Freunde anrufen, um Hilfe bitten. Ich hatte einige gute, die sicher sofort an meiner Tür klopfen würden, wenn ich ihnen nur schrieb, dass ich sie brauchte. Dass nicht alles okay war. Doch wer war ich, dass ich so gute Menschen aus ihrer Ruhe riss, nur um ihnen im Anschluss nicht einmal erklären zu können, was genau los war? Wenn sie schließlich da sein würden, müsste ich Haltung zeigen. Könnte mich nicht zusammengekrümmt in meine Matratze drücken und darauf hoffen, zu versinken. Ich könnte nicht still vor mich hinweinen. Ich müsste den Mund aufmachen. Und reden.

Aber was sagte man, wenn man nicht einmal selbst verstand, was passierte? Wenn sich der Zustand in jedem einzelnen Moment änderte, vom ehrlichen Lachen mit Freunden bis zum tödlichen Weinen in Einsamkeit? Denn es war doch tatsächlich so, dass es mir schon viel besser ging, wenn jemand da war. Manchmal fühlte ich mich missverstanden. Wenn Menschen mich ansahen und glaubten, eine starke und unabhängige Seele zu erkennen. Doch die Wahrheit war, dass ich genauso von anderen abhängig war wie alle anderen auch – auch wenn mir das selbst lange nicht bewusst war. Erst als mich Meere von allen mir Nahestehenden trennten, war mir bewusst geworden, wie glücklich sie mich doch machten. Vielleicht kamen daher meine Bemühungen, nichts verpassen zu wollen. Weil ich Angst hatte, schlussendlich allein zu sein. Gerade deshalb, weil andere mich für unabhängig hielten. Waren sie wirklich so naiv, mir zu glauben, dass ich schon allein klarkam? War ich wirklich so naiv, zu glauben, dass sie meine Gedanken lesen konnten, wenn ich sie nicht einmal selbst verstand?

Meine Augen flackerten, bevor sie gemächlich zufielen. Und ich träumte von einer Umarmung, die 14 Stunden anhalten sollte.

© Lisa Stenech 2023-01-26

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