von Sabine Benedukt
Vor vielen Jahren habe ich mich mit einem sehr lieben alten Herrn über die Jahreszeiten unterhalten. Ich hab ihm vorgeschwärmt wie sehr ich den Frühling liebe, wenn kleine Knospen ihre Spitzen aus der Erde strecken und die ersten Schneeglöckchen, Winterlinge und Krokusse ihre Blüten öffnen. Und wenn dann endlich die Bäume zu blühen beginnen und die Tage wieder länger werden. Er aber meinte, für ihn sei die schönste Zeit im Jahr „wann die Zwetschken zeidi san“.
Schon damals fand ich die Antwort und seine Einstellung interessant und konnte dem auch etwas abgewinnen, aber jetzt verstehe ich ihn voll und ganz. Was für eine herrliche Jahreszeit wir doch jetzt haben! Der Holunder ist reif und auf vielen Wanderwegen am Waldrand kann man ihn pflücken und gemischt mit ein paar Äpfeln und Zwetschken dann Hollerröster einkochen. Ja, jetzt gibt es auch schon die ersten frischen Äpfel, knackig und süß-sauer. Wie hab ich darauf gewartet!
Ich finde es schön für den Winter vorzusorgen. Herrlich, wenn man in den Keller gehen kann und da stehen sie im Regal: Ribiselgelee, Apfelkompott, Hollerröster, Melissen- und Holunderblütensirup. Sie warten nur darauf, dass sie im Winter dann geöffnet werden. Wie Zauberei: Ich drehe mit etwas Kraft am Deckel, der ploppt auf und mir strömt der Duft der letzten Sommertage entgegen.
Die richtigen Hauszwetschken sind zwar ein bisschen später dran, aber wenn man sie dann direkt vom Baum naschen kann, wenn sie „zeidi san“, diesen Jahresabschnitt hab ich auch sehr lieb gewonnen. Und dann koche ich Zwetschkenröster ein, und freue mich insgeheim schon, wenn wir dazu Kaiserschmarrn machen. Oder vielleicht doch Topfennockerl, die in Butterbrösel gewendet werden?
Unser Dirndlstrauch hat sich auch schon bemerkbar gemacht: als Zeichen, dass seine Früchte reif sind, schmeißt er uns ein paar auf den Boden. Dann ist es so weit: Die Früchte werden gekocht, damit sich der Kern herauslöst und dann wird viel Zucker eingerührt. Das ergibt einen süß-sauren Sirup, den ich am liebsten spritzig verdünnt mit Mineralwasser mag. Dieses Jahr ist die Ernte besonders üppig. So eine durchsichtige, weinrote Flasche zu öffnen und das erste Glas zu probieren, zu schauen welches Mischverhältnis am besten ist, macht uns immer besondere Freude. Schließlich wird das Ergebnis nicht immer gleich, mal süßer, mal saurer.
Beim Einkochen von Trauben- und Dirndlgelee habe ich auch schon Misserfolge hinnehmen müssen: Das Traubengelee zu dünn, das Dirndlgelee zu dick. Aber ganz ehrlich: bei so einer Eigenproduktion nimmt man das schon mal in Kauf, dass beim Frühstück die Finger etwas klebrig werden, weil das Gelee nicht dort bleibt, wo man es hingestrichen hat, sondern heruntertropft.
Ich würde es ihm gern sagen, dem alten Herrn, dass ich zwar immer noch den Frühling sehr liebe, aber nun auch das Ende des Sommers, wann die Zwetschken zeidi san.
© Sabine Benedukt 2022-09-01