Wärme

Vanessa Golz

von Vanessa Golz

Story

Ich könnte ewig in die Flammen starren. Einfach hier sitzen und schauen. Orange, rot, gelb. Der schwarze Hintergrund der Ofenwand.

Ich kuschelte mich enger in meine Decke. Noch hatte es das Feuer kaum geschafft, den Raum zu erhitzen. Der Raum war lange nicht benutzt worden. Das Leben spielte sich nur noch im Kinderzimmer, im Bad und in der Küche ab. Zum Wohnen blieb keine Zeit. Auf den Möbeln lag eine dünne Staubschicht.

Ich hatte mich direkt vor dem Ofen niedergelassen, die Knie nah an mich herangezogen, sodass ich mein Kinn darauf ablegen konnte. Meine Arme umschlangen meine Beine und hielten die Decke straff, die ich um mich herumgewickelt hatte. Ich fühlte mich müde, wie so oft in den letzten Monaten. Seit Wochen spürte ich wenig Energie. Jegliche Bewegung schien mir in diesem Moment einfach eine zu große Anstrengung zu sein. Lieber wollte ich einfach hier sitzen bleiben und weiter das Feuer beobachten. Und anhören, denn es knisterte so schön. Es knackte laut, als ein größerer Holzscheit absackte und kurz erschien eine Flamme, die die anderen überragte. Ich wusste, ich würde nicht ewig hier sitzen bleiben können. Schon bald würde der Kleine aufwachen. Sich durch das Babyphone melden, das neben mir auf dem Boden stand. Direkt neben dem zugeklappten Buch. Ich musste später noch einkaufen fahren, wenn sein Vater zurück war, denn die Vorratskammer war so gut wie leer. Auch dort hatte sich Staub auf den verbliebenden Dosen und Verpackungen abgesetzt. Zum Kochen blieb kaum Zeit und wir hatten uns meist mit Lieferdiensten und Fertiggerichten über Wasser gehalten.

Aber das hatte alles noch Zeit. Eine Weile blieb mir hoffentlich noch, um das knisternde Spiel vor mir zu betrachten und die ansteigende Wärme zu genießen. Bald musste ich ein Stück nach hinten rutschen, meine Wangen hatten sich schon rot gefärbt. Die Decke behielt ich trotzdem um mich, wegen der Gemütlichkeit. Nur noch einen Moment, sagte ich mir. Einen kleinen Moment.

Ein Schrei aus dem Babyphone übertönte das Knistern des Feuers.

Seufzend stand ich auf und ließ die Decke achtlos zu Boden fallen. Ich ging zum Kinderzimmer, um nach meinem Sohn zu schauen. Er war nun fast anderthalb Jahre alt. Sein Brüllen verstummte als er mich sah und ein Lachen stahl sich auf sein vom Schreien und Weinen bereits rot angelaufenes Gesichtchen.

„Mama“, sagte er. Hatte er gerade ‚Mama‘ gesagt?, fragte ich mich.

„Mama“, wiederholte er da und streckte seine Ärmchen nach mir aus. Ich lächelte breit, hob ihn hoch und hielt ihn in meinen Armen. Mit einer Hand streichelte ich sanft seinen Rücken, während ich ihn leicht schaukelte, damit er wieder einschlief. Das war das allererste Mal, dass er ein richtiges Wort gesagt hatte. Wärme machte sich in meinem Körper breit. Diesmal eindeutig nicht von außen, sondern von innen.

© Vanessa Golz 2022-07-29