von Christa Arnet
Achtung: Das wird jetzt keine Reisegeschichte. Vielmehr wird es eine sozio-kulturelle Betrachtung mit biologischen und ethischen Aspekten. Es geht nämlich um die Abermillionen von fliegenden Hühnern auf dieser Welt. <<Hühner können gar nicht fliegen>>, werden Sie verächtlich sagen. Stimmt. Sie flattern bloß herum, nehmen Trippeltrappel-Anlauf, hüpfen hoch und plumpsen nieder. Und doch fliegen sie. Und zwar in jedem Passagierflugzeug. In Tat und Wahrheit sind sie die eifrigsten Vielflieger, sozusagen Weltmeister der Lüfte, beziehungsweise die größten Meilenfresser dieser Welt. Ob Swiss, Lufthansa, Austrian Airways, Edelweiss, Condor, British Airways, Air France, Tap Air oder sonst eine Airline – alles, was täglich durch unsere Lüfte düst, hat Hühner an Bord. Bei den asiatischen Fluggesellschaften ist die Situation geradezu alarmierend. Ich sah es mit eigenen Augen, roch es mit eigener Nase und … na ja, lassen wir das. Nicht einmal, nicht zweimal, nicht zehnmal, nicht hundertmal, nein, immer wenn ich unterwegs war. Und das war in Vor-Corona-Zeiten ziemlich häufig der Fall.
Jeden Sommer flog ich dreimal ans Meer, alle zwei Jahre ging’s per Flieger in die USA, ungefähr alle vier Jahre nach Afrika und nach Downunder, alle fünf Jahre nach Asien. Und siebenmal im Ganzen jettete ich rund um die Welt – stets mit Hühnern verschiedener Gattung. Einmal wurden sie Poulet genannt, ein andermal Chicken, dann wieder Pollo, Kücken oder Hühnchen, auch chinesische Namen kamen vor, die mir allerdings entfallen sind. Und dies ungeachtet dessen, ob die Tiere weiblich oder männlich waren. Ein Gender-Skandal ohne Gleichen! Man hätte ja diskret von <<W>> oder <<M>> sprechen können. Aber nein. Stattdessen figurierten sie unter Bezeichnungen wie <<geschnetzelt>>, <<gebraten>>, <<gegrillt>>, <<mit Curry>>. Auch Namen wie <<Hausmacherart>>, <<Satay>> oder <<Sezchuan>> wurden gerne verwendet. Ach, sie taten mir so leid, dass ich sie gar nicht sehen wollte. Freiwillig waren sie nicht an Bord. Da bin ich mir ganz sicher.
Aber warum, warum nur diese ganze Geflügel-Fliegerei? Von oberster Lufthansa-Stelle verlangte ich Auskunft über den wahren Grund. Die Antwort war so einfach wie empörend. Hühner seien halt die praktischsten aller Passagiere, ruhig, anspruchslos, pflegeleicht, nett anzusehen, bei den anderen Gästen immer sehr beliebt. Und – ganz wichtig – am Schluss des Flugs seien sie meist gar nicht mehr da.
Oje, jetzt ist es – glaube ich – doch eine Reisegeschichte geworden.
© Christa Arnet 2021-03-07