Warum ich reinlich wurde

Eintagsfliege

von Eintagsfliege

Story

Als ich noch bei meinen Eltern wohnte, hatte dies einige Vorteile. Zum Beispiel wusch meine Mutter die dreckige Wäsche, hängte sie zum Trocknen auf und legte sie fein säuberlich in den Kasten zurück. Oft trug ich meine T-Shirts nur für ein paar Stunden und warf sie aus reiner Faulheit in den Wäschekorb, um sie nicht wieder im Kasten verstauen zu müssen. Bei meinen Eltern musste ich auch keine Miete zahlen. Nicht einmal Kostgeld verlangten sie. Das Geschirr musste ich nicht selbst in den Geschirrspüler räumen und die Bettwäsche wechselte sich wie von Zauberhand automatisch alle zwei Wochen.

Nur beim Thema Zimmer zusammen räumen, streikte sie. Und das nicht ohne Grund. Mein Bruder und ich teilten uns ein Zimmer. Zwei pubertierende jugendliche Testosteronhaufen auf ein paar Quadratmetern. Da kann schon mal etwas Unordnung entstehen. Nicht selten entdeckten wir nach Wochen, angeschimmelte Brotscheiben unterm Bett. Gelüftet wurde nach dem Motto. „Dastunken is nu Kana, dafroren scho Gnua“, und nasse Fußballschuhe verweilten bis zum nächsten Training regelmäßig in der Sporttasche, die beim Öffnen eine Geruchswolke entsandte, die stark an verwesende Tiere erinnerte. Im Nachhinein betrachtet habe ich tiefstes Verständnis für die Verweigerung des mütterlichen Putzdienstes.

Eine Sache gab es jedoch, die selbst mich dazu brachte mein Zimmer auf Vordermann zu bringen. Weiblicher Besuch. Mit den Jahren, als das andere Geschlecht immer interessanter wurde und ich die Mädchen zu mir nach Hause einlud, wollte ich mir keine Blöße geben. Deshalb räumte ich auf, saugte den Boden und wischte die Oberflächen in letzter Minute, als hätte ich in meinem Leben nie etwas anderes gemacht. Hatte ich keine nächtlichen Besucherinnen, war alles wieder beim Alten. Diese Taktik ging auch lange Zeit gut. Mein Bruder musste diese Nächte im Übrigen auf der Couch im Wohnzimmer verbringen.

Eines Abends jedoch geschah etwas Unvorhersehbares. Ich war mit meinen Freunden unterwegs und lernte ein hübsches Mädchen kennen. Wir verstanden uns gut und sie wollte die Nacht bei mir verbringen. Ich dachte noch daran meinen Bruder per SMS darüber in Kenntnis zu setzen, dass er die Nacht auf der Couch verbringen müsse.

Als wir zu Hause ankamen, lag er auch pflichtbewusst im Wohnzimmer. Ich ging mit ihr in mein Zimmer und als ich das Licht anmachte, erstarrte ich. Das Zimmer sah aus als hätte eine Bombe eingeschlagen. Der Lurch stand zentimeterdick auf dem Linoleumboden. Sie schien die Unordnung im ersten Moment entweder nicht zu bemerken, oder zu ignorieren. Erst als wir uns küssten und ich ihr T-Shirt auf den Boden warf, schrie sie auf. Ich schreckte zurück. Sie bückte sich und hob das T-Shirt auf. Es sah aus als hätte ein Rudel haarender Hunde darauf geschlafen. Die erotische Stimmung war wie weggeblasen und mit ihr die Aussicht auf ein Techtelmechtel.

Von diesem Tag an gab es nie wieder Unordnung in meinem Zimmer.

© Eintagsfliege 2019-08-09

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