Warum ich schreibe

Gunny Catell

von Gunny Catell

Story

„Sieh doch die Harlekins!“, rief schon Nabokov und meinte damit Bäume, Wörter, Situationen. In allem steckt so viel Kreativität, Spaß, Einbildung. Jeder kann die Welt und Wirklichkeit neu erfinden. Und speziell meine Mission ist es, darauf aufmerksam zu machen, dass eine andere Welt möglich ist. Ich habe sie gesehen.

Meine Freunde sagen mir, ich schreibe, um meine freudlose Jugend aufzuarbeiten und in der Zeit der Pandemie auf andere Gedanken zu kommen. Das ist wahr, aber ich möchte den Menschen auch etwas geben, nämlich all das Großartige, das in mir steckt und ich nie herausgelassen habe. Ich will meine positiven Gefühle teilen und nicht den Jammer. Es ist die Lebensfreude, die ansteckt, nicht der Frust. Ich will die Folge der besonderen Momente im Laufe meines Lebens beschreiben, um anderen Inspiration zu vermitteln. Ich möchte Bücher bauen wie Schlösser, in denen man sich wohlfühlen kann. Man muss alles ändern, damit sich NICHTS ändert. Subversiv.

Alles bisher Erlebte verwandelt sich in Nahrung für mein Werk, jede kreative Regung lässt Freiraum zur Entfaltung. Und ich will – statt mich anzupassen – gegen den Verrat der menschlichen Vernunft anschreiben, gegen alles, was ich um mich herum als verloren, verlogen und verwahrlost wahrnehme und mich herunterzieht. Ich möchte berühren und berührt werden, mit Gedanken umarmen. Leg deinen Arm der Anerkennung auf meine dankbare Schulter, damit ich schreiben kann.

Pause: Ich gehe durch eine von Leben leergefegte Landschaft. Nichts außer Kälte, Nebel. Der Schnee von heute Morgen schmilzt. In der Ferne sehe ich Menschen mit Gewehren und Hunde. „Jäger“ meint meine Begleitung. „Ist jetzt Jagdzeit“ frage ich. „Wann denn sonst!“

Ein Wagen fährt an uns vorbei. Ich erkenne darauf eine Unmenge toter Tiere aufgehängt. Leblose Felle. Sind es Hasen oder doch Rehe? Bei einem Bauernhof werden die Trophäen in Autos geladen. Wahrscheinlich werden alle nun an Gasthäuser aufgeteilt. Mir vergeht der Hunger auf Wild. Der Schock der toten Osterhasen sitzt noch tief, als ich zu Hause ankomme. Ich setze mich auf den Heizkörper in der kalten Wohnung und warte auf warmen Tee. Irgendwie macht mir das Schreiben am Land mehr Spaß. Es ist so anders. Ich denke an meine vielen noch ungeschriebenen Bücher.

Wenn ich schreibe, kann ich oft nicht mehr aufhören. So habe ich es auch beim dritten Lockdown gemacht, als ich meinen ersten Roman geschrieben habe. Mein Blick ruhte dabei auf einem Gemälde der goldenen Adele. Ich war so in einem Sog drinnen, dass ich gar nicht bemerkte, wie sich mein Rücken derart verspannte, dass ich fatale Schmerzen unter der rechten Schulter bekam. Ich konnte sogar meinen Arm fast nicht mehr heben. Auch durch Tiefenmassagen war dieser Schmerz nicht wegzubekommen. Aber ich ordnete alles meiner Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse unter. Und siehe da, als sie erfolgreich beendet war, waren auch meine Rückenschmerzen wie weggeblasen.

Schreiben kann schmerzen, aber auch heilen.

© Gunny Catell 2021-12-12

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