von Hannah Trapp
Es ist meine erste größere Veranstaltung. Das erste Mal ist der Laden so voll, dass die Menschen sich kaum mehr bewegen können. Mit Tablett oder Bierkrügen muss ich mich durch die Leute durchkämpfen. „Das wird dir gefallen“, hatte mein Chef mir versprochen. „Es sind super viele Leute da, coole Musik und wir haben immer eine Menge Spaß“. Ich war mir diesbezüglich ehrlich gesagt nicht sicher gewesen. Schließlich kenne ich dieses „wir“ kaum – heute habe ich drei neue Kollegen kennengelernt. Man sieht sich sonst selten. Ich bin ja nur zwei- oder dreimal die Woche hier und habe bisher nur mit zwei Kollegen und eben ihm selbst gearbeitet. Er hatte mir im selben Zug aber auch gesagt, dass ich einen guten Job machen würde und seitdem war ich doch ein bisschen sicherer. Es ist komisch, ich stand vor wenigen Wochen noch jeden Abend auf der Bühne, aber hier bin ich schüchtern. Mein Kollege, ein älterer südländisch aussehender Typ, der wirklich lieb ist, drängt sich gerade an mir vorbei. Ich brauche vier helle Bier. Gezapft habe ich bisher nicht allzu viel, aber eigentlich ist es nicht schwer. Und ich soll heute meine Getränke selbst machen. Beziehungsweise: Wenn es noch voller wird, soll ich den Service abbrechen und hinter der Bar ausschenken. Ich atme also durch und zapfe die Hellen selbst. Es ist etwas ärgerlich. Das erste Bier sieht perfekt aus, aber sobald ich zwei weitere gezapft habe, ist es schon wieder zerfallen. Mist. Ich habe es eilig. Der ganze Laden ist schließlich voll und ich möchte unbedingt das Optimale herausholen – möglichst viele Gäste möglichst optimal versorgen. Weil – also, ich möchte ja beweisen, dass ich wirklich einen guten Job mache. Und ich will die anderen nicht behindern. Das letzte Bier bekommt einen Tick zu viel Schaum ab, während das erste schon wieder zu wenig hat – ich ärgere mich, aber ich habe einfach keine Zeit dafür. Es gibt so viel zu tun. Ich versuche alle vier Krüge in eine Hand zu nehmen, schaffe aber nur drei und nehme den anderen dann in meine schwächere linke Hand. Es ist ohnehin seltsam, dass man alles mit links trägt – also das Tablett. Ich lächle die Männer an und reiche zuerst das Helle aus meiner linken Hand, dann nacheinander die anderen. Die Herrschaften sehen mich entgeistert an. „So gehört ein Helles aber nicht“, stellt einer schroff fest und ich weiß sofort, wie es gemeint ist: Todernst. Ich bin schockiert. Ich wurde hier noch nie kritisiert. „Das tut-“, beginne ich und will ernsthaft etwas verbessern, doch einer fällt mir ins Wort. „Frauen können halt kein ordentliches Bier zapfen. Das bringst du zurück und bringst uns ein Gescheites!“ Kein Anzeichen von Humor oder Witz. Entsetzen durchfährt mich. Tränen schießen in meine Augen, weil ich so überfordert bin. Ich nehme die Hellen, nicke eifrig und bringe sie zu meinem südländisch aussehenden Kollegen. Knapp gebe ich die Worte der Männer wieder. Er ist entsetzt. „Das kann nicht wahr sein!“ Sichtlich wütend entreißt er mir das Bier und bringt es – so wie es ist – zu den Herren zurück. Sie nehmen es ihm ab. Ich weiß nicht, ob er was gesagt hat. Er kommt kopfschüttelnd zurück und legt mir die Hand auf die Schulter. „Lass dir keinen Scheiß erzählen“. Ich nicke. Mir wird klar, dass ich meinen Anspruch aufgeben muss. Menschen sind manchmal einfach nur unzufrieden. Und zwar nicht mit meiner Arbeit…
© Hannah Trapp 2023-07-31