Warum Philosophie mir wirklich wichtig ist.

Spinoza ist einer meiner besten Freunde. Doch! Ehrlich! Für die, die jetzt fragen: Wer ist das? Baruch de Spinoza war ein Philosoph. Einer der besten, meiner bescheidenen Meinung nach. Aber das dürft ihr nicht zitieren. Dann laufen mir die Kritiker zuhauf auf die Schippe. Warum glaube ich, dass Spinoza einer der besten Philosophen ist? Weil seine Philosophie nie aufhört mich von Neuem zu begeistern. Er hat ein großes Hauptwerk geschrieben: Die „Ethik“. In der geht es zunächst um so einiges, aber nicht um das was im Titel steht. Aber nur Geduld. Man braucht für alles, was man aufbauen will eine Basis. Und die legt Spinoza sich im ersten Teil sehr mathematisch-logisch zurecht. Am Ende des Buches kommt er dann auf Gott. Das haben wir gemeinsam und das verwirrt manche Leute. Ich habe nirgendwo anders je ein komplizierteres, faszinierenderes und fundamental lebensbejahenderes Weltverständnis kennenlernen dürfen, als bei Spinoza. Vielleicht liegt das an meiner Ignoranz gegenüber vielen anderen Philosophen oder an meinem Dozenten, der von seiner neuen Entdeckung damals mindestens so begeistert war wie ich. Mein Philosophiestudium hat im Großen und Ganzen eine Menge graue Masse an Wissen in meinen Gehirnwindungen zurückgelassen, die sich wie Kaugummi anfasst, wenn ich versuche einzelne Sachverhalte herauszulesen, aber Spinoza strahlt über all dem wie ein kleiner, brillanter Stern. Ein kleiner Stern der begeistert und laut „Hallo!“ ruft, wenn man ihm zuwinkt. Dank Spinoza weiß ich heute, dass ich Menschen nicht hasse. Dank Spinoza weiß ich auch, von welchen anderen Philosophiestudenten, Philosophen und Strömungen ich mich getrost fernhalten kann, weil wir nie auf einen Nenner kommen werden. Spinoza war auch für mich da, als ich wichtige und schwierige Fragen an die spirituellen Lehren hatte, mit denen ich mich haltlos beschäftigte, in meinen Versuchen aus dem allen etwas zu ziehen, dass sich als wahr für mich erkennen ließ. In all dem war Spinoza mein kleiner Stern und sein Weltverständnis ein Anker und meine maßlose Freude. Wir sind zwei Erbsen in einer Schale, auf unserer Welten-Entdecker-Reise, wir zwei. Meine damaligen Freunde haben sich nie wirklich für die komplexen Theorien interessiert, denen ich in meinem Philosophiestudium begegnen durfte. Zumindest hat es sich oft so angefühlt. Ich fühle mich oft unverstanden von den Menschen in meinem Umfeld, aber das ist nicht ihre Schuld. Ich war als Kind ein Alien, als Jugendliche und als Erwachsene bin ich es auch. Philosophie zu studieren hat das nicht verbessert. Hätte es auch dann nicht, wenn ich die coolste Philosophin des 21. Jahrhunderts geworden wäre. Mittlerweile bin ich ganz stolz auf meine eigene Alien-Art. Und die Philosophie ist mir wichtig und wird es immer sein. Nicht weil sie meinen Geist bis zur Unkenntlichkeit das Biegen, Knoten, Endknoten und ins Kurbelrad der Unendlichkeit treten gelehrt hat. Nein. Philosophie ist mir wichtig, weil sie mir Spinoza gebracht hat. Das ist alles. Und deshalb reicht mir das, um diesen Abschnitt meines Lebens als erfolgreich abzuhacken. Hacken.