Warum Rimini???

Klaus P. Achleitner

von Klaus P. Achleitner

Story

Ich war 11, 12 Jahre alt, als mir meine Mutter am Ende des Schuljahres eröffnete, ich dürfe in den Sommerferien allein mit anderen Kindern in ein Feriencamp an die Adria fahren. Drei Wochen Rimini. Ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte. Drei Wochen Sonne, Strand und Gelati, das erste große Abenteuer fern der Heimat, Herz was willst Du mehr? Ja eh, aber auch drei Wochen getrennt von Familie und Freunden. Warum so weit weg und wo zum Teufel ist Rimini?

So ging es also Ende Juli per Bus nach bella Italia. Zum ersten Mal ins Ausland und ans Meer. Es kam, wie es kommen musste. Nach ein paar Tagen hatte ich genug von der ungewohnten Umgebung, vom salzigen Wasser und vom Sandburgen bauen. Das Heimweh erwischte mich in voller Härte. Jede Nacht weinte ich mich in den Schlaf. Mama, warum hast Du mir das angetan? Mich aus der familiären Geborgenheit gerissen und allein ins Exil geschickt in ein fremdes Land?

Telefonieren war teuer, Handy und Internet unbekannt, die wöchentlich abgeschickte Ansichtskarte („Es scheint jeden Tag die Sonne, 33 Grad im Schatten, Meer 25 Grad, liebe Grüße aus Rimini“) waren da kein Trost. Ich wollte wieder heim.

Zu Beginn der zweiten Woche kam allmählich Urlaubsstimmung auf. Ich hatte einen Freund gefunden, mit dem ich das Camp unsicher machte. Beim Plantschen im Meer sekkierten wir den Bademeister, in dem wir uns an sein Holzboot klammerten. „Weg vom Boot“ waren die einzigen deutschen Worte, die er kannte und daher eifrig gebrauchte. Braungebrannt mit dichtem schwarzen Haarschopf entsprach er geradezu dem Klischee des feurigen Italieners.

Auch mit dem Küchenpersonal hatten wir uns angefreundet. Eine junge Dame mit (ge)blonde(t)n Haaren steckte uns gelegentlich einen Eislutscher zu. Mir war nicht entgangen, dass sich auch unser „Badewaschl“ für die Dame interessierte, wobei es ihm wohl eher nicht um Eislutscher ging…

An einen anderen Jungen erinnere ich mich nur ungern. Er begleitete uns gelegentlich auf unseren Streifzügen und klaute Zigaretten und Süßigkeiten beim Strandkiosk. Mit Diebstahl konfrontiert zu werden, hat mich damals in meiner heilen Kinderwelt regelrecht geschockt. Gerne erinnere ich mich hingegen an den Besuch einer Delfinshow.

In der dritten Woche war ich zu einem braungebrannten Halbitaliener mutiert. Das Heimweh hatte sich in Gelassenheit verwandelt. Das Leben in bella Italia taugte mir nun. Am vorvorletzten Tag verstauchte ich mir beim Spielen an einer Treppe den Knöchel. Abends war Disco angesagt – für einen Jungen in meinem Alter sehr verlockend. Hinhumpeln konnte ich noch aus eigener Kraft, heimwärts wurde ich getragen. Die beiden letzten Tage verbrachte ich daher auf dem Krankenrevier mit bandagierten Fuß.

Es klingt vielleicht komisch, aber der kleine Unfall hat mir die Heimreise erleichtert. Beim tatenlosen Herumliegen wurde mir wieder bewusst, wie sehr mir meine Familie doch fehlte. Die Liebe zum Reisen wurde aber in jenem Sommer geweckt. Viva Italia!

© Klaus P. Achleitner 2020-01-12

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