Was bleibt, wenn du gehst

Yvonne Diemel

von Yvonne Diemel

Story

Du bist weg. Nicht mehr greifbar. Nicht mehr erreichbar. Aber du fehlst nicht wie ein Mensch. Du fehlst wie ein Gefühl, wie eine Stimme, die einmal vertraut war. Wie ein Zuhause, das es vielleicht nie wirklich gegeben hat – und das trotzdem immer da war. In mir. In allem.

Ich kann dich nicht mehr berühren, aber ich stoße überall auf dich. In kleinen Momenten. Im Geruch von Kaffee, der plötzlich nach Sonntagmorgen schmeckt. In Liedzeilen, die du nie gehört, aber ganz sicher gefühlt hättest. In Begegnungen, in Blicken, in diesem einen Lachen, das mir manchmal entgleitet und so sehr nach dir klingt. In Augenblicken, die flüstern: „Er hätte jetzt gelacht.“ „Er hätte das verstanden.“

Manchmal stelle ich mir vor, dass du zurückkommst. Nur für einen Augenblick. Um zu sagen, dass du mich auch vermisst. Dass es dir auch schwer fällt. Dass es dich auch zerreißt. Ich stelle mir vor, wie du vor mir stehst – ruhig, ehrlich, vielleicht ein wenig verloren – und einfach nur sagst: „Es tut mir leid, dass es so kam.“

Aber du bleibst fort. Nicht aus Kälte. Nicht aus Gleichgültigkeit. Sondern, weil du glaubst, dass es so besser ist. Für dich. Für mich. Für das, was von uns geblieben ist. Vielleicht hast du recht. Vielleicht war das mit uns nur eine Geschichte, die zu nah an der Sonne flog. Schön. Wahr. Intensiv. Aber nie dazu gemacht, zu bleiben.

Und trotzdem bleibt etwas. Kein Groll. Keine Wut. Kein Wunsch, dich zurückzugewinnen. Sondern Liebe. Roh. Still. Vertraut. Ich liebe dich. Nicht mehr so wie früher. Nicht mehr in der Art, dass ich dich halten will. Aber in der Art, dass ich hoffe, du findest deinen Frieden. Dass du lachst. Dass du gehst, ohne ständig fliehen zu müssen.

Was bleibt, wenn du gehst? Die Erkenntnis, dass Liebe nicht immer genügt. Dass Nähe allein kein Zuhause baut. Und dass manche Menschen nur kurz vorbeikommen, um dir zu zeigen, wie tief man fühlen kann. Und wie schmerzhaft Loslassen sein darf, ohne falsch zu sein.

Du warst mein Echo. Meine Wunde. Mein Licht. Und mein Schatten. Und auch wenn du jetzt nur noch ein Flüstern bist – du warst laut genug, um Spuren zu hinterlassen. Ich habe dich geliebt. Ich werde dich nie vergessen.

Aber ich gehe jetzt. Nicht, weil du mir nichts mehr bedeutest – sondern, weil ich endlich mir selbst etwas bedeuten will.

© Yvonne Diemel 2025-08-25

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Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Traurig
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