Was einige Wochen Zuhause bewirken

Karin Sieder

von Karin Sieder

Story

Punkt acht kam unsere Jüngste die Stiege herunter gepoltert. Ich hatte ihr versprochen: Lerne deine Heimat kennen (Übersetzung: Übungsfahrt für den L17-Führerschein). Also Aufbruch zur einer Landpartie, Übungsparkplatz, Stadtfahren – in dieser Reihenfolge.

Da sie mittlerweile um einiges sicherer fährt als noch vor einigen Wochen, schaffe auch ich es, mich etwas zu entspannen. So kann ich Flora und Fauna bewundern und bestaunen. Alles beginnt gerade zu blühen. Die Kastanienbäume zeigen die schönsten Blüten. Der Flieder duftet himmlisch. Alles grünt und wirkt frisch und saftig. Die ersten jungen Hasen habe ich auch schon gesehen.

Aber noch mehr interessiert mich, was es so Neues gibt. Da doch sehr viele Menschen von Zuhause aus arbeiten oder in Kurzarbeit Zuhause sind, entwickeln sich vielerorts neue Fähigkeiten. Lang geplante Bau- und Gartenprojekte erleben scheinbar eine Renaissance.

Wir fahren durch kleine Orte der näheren Umgebung, dessen Häuser ich aufgrund oftmaligen Durchfahrens schon öfter betrachtet habe. Ein Zaun ist gestrichen worden. Ein neues Baumhaus lugt zwischen den Ästen eines Nussbaums hervor. Ein etwas vernachlässigter Garten zeigt sich neu erstrahlt. Neue Fenster und Jalousien sind zu erkennen. Gartenbeete sind neu bepflanzt. Hochbeete gab es scheinbar im Ausverkauf – so viele neue wie derzeit konnte ich noch kein Jahr erkennen. Und ein ganz neuer Trend fällt mir besonders auf: Jeder meint, Erdäpfel pflanzen zu müssen.

Ganz deutlich ist zu erkennen, dass in diesem Jahr jeder mehr Wert auf sein Heim und den Garten legt. Von vielen Freunden und Bekannten erfahre ich, dass sie alles gründlich putzen und aufhübschen, da viele vermuten, den Urlaub heuer zwischen Balkonien und Gartinien zu verbringen.

Ich lebe in genau dem Eck, in dem ich leben möchte. Alles um mich grünt, sprießt und riecht nach Leben.

Im letzten Teil der Fahrt drehen wir immer eine Runde in der Stadt. Schließlich ist das dann auch bei der Prüfung so. Unsere Jüngste ist im Gegensatz von den älteren beiden von unserer Landwirtschaft nicht ganz so begeistert und überzeugt. Ihre gärtnerischen Interessen sind eher spärlich entwickelt. Mode und Lifestyle machen mehr Eindruck auf ihre Jugend. Und ab und an rätseln mein Mann und ich, wo es sie einmal hin verschlagen wird. Wir fahren also durch ein Wohngebiet in der Stadt. Reihenhäuser auf der rechten Seite der Straße. Hohe Wohnblöcke auf der linken Seite.

Mein Kind: „Also eines weiß ich fix. In so einem Wohnblock will ich auf keinen Fall leben. Und in der Schuhschachtel auf der anderen Seite auch nicht.“

Ich: „Wo denn dann?“

„Haus mit Garten. Wenige Nachbarn. Ruhig. So wie bei uns.“

„Du weißt aber schon, dass Haus und Garten viel Arbeit macht.“

„Bei dir schaut das immer so leicht und so wenig aus. Also kann es nicht so schlimm sein!“

Genau. Wird schon stimmen, wenn sie es sagt.

© Karin Sieder 2020-05-10

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