Was es ist ….

Tamara Hoheneder

von Tamara Hoheneder

Story

Demnächst hab ich wieder eine Hochzeit vor mir. Im Grunde nichts Außergewöhnliches für eine Standesbeamtin. Aber diesmal wird’s anders. Meine erste gleichgeschlechtliche Trauung. Die Möglichkeit der Ehe für alle, gibt’s bei uns in Österreich ja erst seit 2019. In Großstädten langsam, aber in Landgemeinden, wie der unseren, noch lange nicht üblich.

Nachdem es sich um zwei Männer handelt, brauche ich zumindest am Montag meinen Kolleginnen keine Fragen nach dem Brautkleid zu beantworten. Bin gespannt wie’s wird. Freu mich schon. Eine erfrischende Unterbrechung meiner Routine. Außerdem Gelegenheit mich wieder einmal wirklich ernsthaft mit dem Thema Ehe auseinander zu setzen.

Ihr wisst schon. Veraltete Institution für die einen, Tradition und unbedingtes Muss für die anderen. Warum denn heutzutage überhaupt heiraten? Außerdem brauch‘ ich was richtig Gutes für diese Rede.

Also: Rein rechtlich gesehen, begründet man auf dem Standesamt ja einen Ehevertrag. Nachzulesen seit 1.1.1812 im ABGB § 44 Begriff der Ehe: ‘Die Familien-Verhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. In dem Ehevertrage erklären zwey* Personen (Zusatz ‘verschiedenen Geschlechts’ 2019 durch Gericht gestrichen) gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitig Beystand* zu leisten’ (*kein Schreibfehler übrigens).

Zusammengefasst: Die Ehe nur für Personen verschiedenen Geschlechtes ist Geschichte. Ganz einfach. Oder doch nicht? Richtig durchleuchtet ist dieser Gesetzestext eine klare Ansage. Da gibt’s kein ‚oder’. Ehe = Unzertrennliche Gemeinschaft, Kinder zeugen, erziehen, gegenseitiger Beistand. Punkt.

Also nach meinem Rechtsverständnis steht ja damit meine eigene Ehe auf ziemlich wackeligen Beinen. Weil erst seit Kurzem in zweiter Ehe verheiratet, sind mein Liebster und ich für die Passage ‘Kinder zeugen’ eindeutig schon zu alt. Das Prozedere dafür kann ja wohl nicht gemeint sein? Wieviele Paare wie wir erfüllen dann überhaupt diesen Ehevertrag? Hat sich da überhaupt irgendwer Gedanken gemacht?

Ist ja wieder mal typisch Österreich. Ein halber Gesetzestext. Ein bisschen was streichen und gut ist’s? Ich frag mich, wozu dann die ganze Aufregung? Bei den Debatten die ich selbst in Standesamtskreisen schon zu hören bekam, wird mir heute noch schlecht … Lest mal den Text genau durch … Und … Ach, wen juckst? Interessiert eh keinen. Lass das Rechtliche beiseite – ist ja bekanntlich dehnbar.

Ehe hat was mit Emotionen zu tun. Worum geht’s denn sonst im Leben?

‘Es ist Unsinn, sagt die Vernunft. Es ist Unglück, sagt die Berechnung. Es ist nichts als Schmerz, sagt die Angst. Es ist aussichtslos, sagt die Einsicht. Es ist lächerlich, sagt der Stolz. Es ist leichtsinnig, sagt die Vorsicht. Es ist …‘

Hör auf. Klingt ja niederschmetternd … Also, da war doch noch was …

Richtig! Es ist was es ist, sagt die Liebe*. (*Erich Fried)

Ja! Das ist es!

© Tamara Hoheneder 2021-10-04

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