Es ist soviel leichter dich in Fantasie zu lieben. In diesem abstrakten Ding zwischen Schädellappen und Muskeln, von dem sicher wer weiß wie es funktioniert, ich jedoch nicht. Ich weiß überhaupt so wenig darüber, wie das alles funktioniert. Ich weiß nur, dass am Anfang der langen Kette an Reaktionen ein Mensch steht. Du.
Du lächelst mich an, es ist weder krumm noch schelmisch noch frech. Es taugt nichts für einen Liebesroman. Es ist perfekt auf deinen Lippen und rumpelt durch meinen Körper wie Plattentektonik, die Steine und Geröll und Kontinente mit sich schleppt. Da, da spüre ich wie alles in mir zu leben anfängt. Wenn du mich anlächelst und alles in mir reagiert. Warum du diese Wirkung auf mich hast weiß ich nicht. Ich befürchte, es hat etwas damit zu tun, das man mich selten so anlächelt wie du es tust. Ohne Motivation, ohne Hintergedanken. Breit und offen, wie mein Brustkorb vor dir.
Manchmal wünsche ich mir, es würde dir schwerer fallen. Ich würde es dir schwerer machen.
Doch ich bin wie ein Tier, dem so lange Liebe fehlte und wäre ich ein Loch ohne Boden so wäre irgendwo in meinem Herzen der Marianengraben. Den kann man nicht mehr auffüllen. Darin versinken nur noch Boote und manchmal entdeckt man eine unbekannte Fischart darin. Aber auffüllen? Wozu? Mit was?
Dann kommst du daher mit deinen Augen, die mich ans Meer erinnern und ich frag mich, was du in mir alles noch entdecken kannst, was ich da für verschüttet halte. Wie viele Schiffe hab ich eigenständig schon zum Sinken gebracht und welches davon wird deinen Namen tragen?
Hier in meiner Fantasie ist es sicher all diese Wörter auszusprechen und zu formulieren und zu erträumen. Hier fällt es weniger auf, wie ich dich über den Rand meiner Brille mustere, wenn du mich nicht ansiehst. Wie ich über Grau rede und an dich denke. Wie zwischen all diesen Codes, die ich mit mir selber im Kopf ausdiskutiere, ich nicht einmal mit dir sprechen muss, um mich immer mehr in dich zu verlieben.
© Jonathan Krupitza 2022-07-06