von Nicole Gruber
“Das glaube ich nicht, du bist nicht gerade aufgewacht oder?!”, meine Schwester steht in der Hotelzimmertüre. Ich brauche kurz um zu mir zu kommen, dann lache und weine ich gleichzeitig. Und täglich grüßt das Murmeltier?…
“Es war so unglaublich real Anna, ich habe heute Nacht tatsächlich nochmal von unserer Reise vor fast 50 Jahren geträumt!”, meine Augen glänzen als ich erzähle. “Nun gut, wir befinden uns im selben Hotel wie damals, ich bin auch wieder mit und keine halbe Stunde nach unserer Ankunft gestern hast du ihn hier unerwartet getroffen. 48 Jahre danach. Als wäre die Zeit stehen geblieben. Also ich bin gar nicht so verwundert, dass du heute Nacht in Erinnerungen geschwelgt bist … komm jetzt mach weiter!“, meine Schwester zwinkert mir zu. Ich ĂĽbergehe ihre wie immer trockene Art: „Ich war so aufgekratzt, der himmlische Ausblick zum International rĂĽber beruhigte mich und dann muss ich eingeschlafen sein“. “Wie ich schon sagte, mich wundert es nicht. Vielleicht war SEIN Geist auch hier. Hast du von ihm auch geträumt – von unserem Superstar??“, Annas Stimme ist aufgekratzt. “Na klar! Seinetwegen sind wir ja damals ĂĽberhaupt angereist. Er war so und so immer die Nummer 1”, ich umarme sie von hinten, lege meinen Kopf auf ihre rechte Schulter und wir sehen beide verträumt zum International Hotel – okay zum Westgate Hotel hinĂĽber – fĂĽr mich wird es aber immer das International bleiben. “Oh Anna, du weiĂźt, ich habe unzählige Male von unserem Sommer 74 geträumt. Immer wieder, aber diesmal war es tatsächlich als erlebte ich alles noch einmal…oh, ich muss Alexander anrufen. Er macht sich sicherlich Sorgen…“. Anna unterbricht mich: „Susi bitte, Dein Sohn wird bald 47. Ich glaube Deine Abnabelung hat nie stattgefunden…”. Ich grinse Anna an. “Aha, du machst es ja ganz anders bei Marlene – wenn ich dich erinnern darf, sie wird nächsten Monat auch bereits 45!”. Oh wow, sind wir alte Schachteln!, prusten wir los vor Lachen.
Ich stehe vor “The Peppermill” und schaffe es nicht die TĂĽre zu öffnen. Was macht er eigentlich hier nach so vielen Jahren? Ob es ihn genauso wie mich gedanklich immer wieder in diese Stadt zurĂĽckzog? Ob er auch schon seit Jahrzehnten vor hat wieder hier her zukommen? Der schmalzigste Kitsch-Roman-Autor hätte diese Geschichte nicht erfinden können. Die unglaublichsten Geschichten schreibt nun einmal das Leben selbst. Ich wende mich zum dritten Mal von der EingangstĂĽre ab. Plötzlich fällt mir auf der anderen StraĂźenseite eine Werbetafel auf, von der mein Superstar, mein Adonis, herunterlacht. Leider kann er mich nicht noch einmal im realen Leben anlachen, jedoch ist mir tatsächlich, als wĂĽrde er mich jetzt durch dieses Bild anlachen – als wĂĽrde er mir zuzwinkern. Ich schicke ihm einen Luftkuss, drehe mich um und betrete selbstsicher diesen hippen Club. Er ist noch nicht da.
Nervös lasse ich mich auf eine dieser pinken Couches nieder; Ironie, in diesem Club hat sich auch nicht allzu viel verändert, bis auf die Musik….
© Nicole Gruber 2022-12-07