Was ist deine gute Tat?

Marianna Vogt

von Marianna Vogt

Story

Liebe Leute, ich muss dieses Thema ‘verschreiben’, weil es mich beschĂ€ftigt. Und das Thema ist brandaktuell. Es findet heute wĂ€hrend 24 Stunden statt. Und dies bereits zum 3. Mal. Das Thema heißt: Tag der guten Tat. Die schweizweite Mitmach-Aktion stellt das freiwillige Engagement ins Zentrum und motiviert Gutes zu tun.

Generell finde ich die Aktion etwas Wunderbares. Aber – brauchen wir in der Tat solch einen Tag, damit wir einen Tritt in den Hintern kriegen – um uns in irgendeiner Form nĂŒtzlich zu machen? Verschlafen wir das ganze Jahr und warten auf den 21. Mai, um endlich an diesem einen Tag, etwas Gutes zu tun? Um unser Gewissen zu beruhigen, wie der Gang in die Kirche?

Seit Tagen wurden wir auf diesen einen Tag aufmerksam gemacht. NatĂŒrlich mit VorschlĂ€gen, falls jemand nicht weiß, was er Gutes tun könnte. Sind wir Schweizer denn wirklich so ideenlos? Also wirklich, ich schĂ€me mich fĂŒr unser Volk – wenn wir nur an diesem einen Tag ‘etwas Gutes tun’!

In unserer Firma wurden auch wir aufgefordert, etwas Gutes zu tun. Viele verschiedene Angebote wurden aufgeschaltet. FĂŒr mich war klar, es muss eine Aufgabe im sozialen Bereich sein.Mit zwei meiner Arbeitskolleginnen verbrachten wir den gestrigen Nachmittag in einem Pflegezentrum. Es war eine unglaublich schöne Erfahrung mit alten Menschen zusammenzukommen, die so reich an Erfahrungen und Geschichten sind. Ihnen etwas Zeit zu schenken. Einen ganz besonderen Moment empfand ich, als Katharina, die ich im Rollstuhl spazieren fĂŒhrte, auf einmal das Lied «Lustig ist das Zigeunerleben» anstimmte und ich aus voller Kehle mitsang. Bestimmt nicht immer den richtigen Ton treffend, aber dies war ja auch sekundĂ€r. Das war der Moment, wo ich wusste, sie genoss es, in Gesellschaft zu sein. Die Frauen waren so dankbar, dass wir mit ihnen einen Spaziergang durchdie schöne parkĂ€hnliche Umgebung mit Voliere und Tiergehegen machten. Tiere begeistern eben jung wie Alt gleichermassen.

Die Ă€lteste der drei Frauen war 94-jĂ€hrig. Wer jetzt denkt, aha, die Frau hat bestimmt die meiste Zeit verschlafen, der irrt sich gewaltig. Sie war die kommunikativste von allen und hat uns so manche Episode aus ihrem reichen Leben erzĂ€hlt, als wir im Garten sassen und uns etwas ausruhten. Sie verfĂŒgt sogar ĂŒber ein i-Pad und lĂ€sst keine Turnstunde aus. Trudi ist fĂŒr mich ein bemerkenswertes Vorbild. Nicht dahin vegetieren und auf den Sensenmann warten, sondern aktiv am Leben teilnehmen. Ich werde einen kleinen Bericht ĂŒber unseren Besuch fĂŒr ihre Hauszeitung verfassen. Mir schwirrt im Kopf so die Idee, sie vorab mit einem persönlichen Exemplar zu ĂŒberraschen.

Der Abschied war fĂŒr alle sehr emotional – fĂŒr die Frauen wie auch fĂŒr uns. Nach diesem Besuch waren wir uns unisono einig. Dies machen wir wieder einmal und dazu brauchen wir keinen 21. Mai – Der Tag der guten Tat.

Ps. Jetzt geht es mir wieder gut – ich konnte darĂŒber schreiben. Danke fĂŒrs Lesen liebe Storyaner*Innen.

© Marianna Vogt 2022-05-21