Was ist ein Yuru Chara?

Christine Sollerer-Schnaiter

von Christine Sollerer-Schnaiter

Story
Japan 2023

Als ich nachdenklich durch den wunderbaren Garten, der die Burg von Hikone umgibt, zum Eingang hinunter wanderte, hörte ich laute Ansagen durch ein Mikrofon. Die Menschen strebten auf einen eingezäunten Hof zu, aus dem zwischendurch Musik und Getöse erklang und immer wieder eine drängende Stimme, hierherzukommen. Neugierig folgte ich dem Menschenstrom. Im Hof starrten alle wie gebannt auf ein Podest, wo die Frau mit dem Mikrofon stand und weitere Menschen herbeiwinkte. Eltern hatten ihre Kinder auf die Schultern gehoben und jeder versuchte einen guten Platz mit freier Sicht zu bekommen. Dann ertönte ein Countdown – gespannte Stille – ein Tor öffnete sich und eine Figur erschien, die auf mich befremdlich wirkte. Ich wartete weiterhin auf etwas Besonderes. Ein Gejohle und Geklatsche hatte eingesetzt und als nichts weiter passierte, schlich ich mich langsam wieder davon. Die Figur war das Maskottchen der Burg Hikone: eine weiße dickliche Gestalt mit lieblichem Katzengesicht, gekrönt mit einem orangen Helm mit gelben Stierhörnern. Sie machte tollpatschige Tanz- und Turnbewegungen und das wars. Solche Gestalten sollten mir noch öfter begegnen. In Nara z.B. mit Hirschhörnern – immer niedlich, immer lieb und putzig. Natürlich gibt es sie in Plüsch zum Kaufen. Das Geschäft blüht.

Yuru Chara übersetzt: „leichter Charakter“ sind japanische Maskottchen. Der Name sagt schon aus, dass es sich um leichte, verspielte Figuren handelt. Jede Burg, viele Tempel und Gärten, Firmen und sogar öffentliche Einrichtungen haben ihr Maskottchen. Eine Firma entwirft diese Figuren auf Wunsch unter Berücksichtigung der besonderen Eigenheiten dieses Ortes, um damit Werbung zu machen, Leute anzulocken und den Umsatz zu steigern.

Die Maskottchen erfreuen sich immer größerer Beliebtheit in Japan. Es gibt Wettbewerbe, wer das beste Maskottchen hat. Allen gemeinsam ist den Figuren, dass sie im berühmten japanischen Kawaii-Stil gehalten sind. Kawaii ist der japanische Ausdruck für „liebenswert“, „süß“, „niedlich“, „kindlich“, „unschuldig“ und „attraktiv“.

Bekannt sind unter anderem die Werbefiguren des japanischen Verteidigungsministeriums, welche als Prinz Pickles und seine Freundin Parsley bekannt sind. Die entzückenden großen Augen und das liebenswerte Lächeln haben einen verniedlichenden Charakter. Japan möchte, seitdem die Bedrohung durch Nordkorea und China größer wird, das Militär oder die Selbstverteidigungsstreitkräfte stärken.

Pipo-kun ist das Maskottchen der Polizei. Der Name leitet sich von den englischen Begriffen von People und Police ab. Der kleine orange Gnom ist dabei weder Mensch noch Tier. Die großen Ohren sollen ihm dabei helfen, die Probleme der Menschen zu hören. Außerdem verfügt er über Superkräfte, die ihm dienen sollen, die Menschen zu beschützen.

Nicht ganz unbekannt sind ja Maskottchen auch bei uns z.B. bei Fussballvereinen und sonstigen Sportveranstaltungen, abgesehen von den persönlichen Glücksbringern, die manchmal absurde Formen annehmen, aber immer positiv besetzt sind.

© Christine Sollerer-Schnaiter 2024-02-21

Genres
Romane & Erzählungen, Reise
Stimmung
Komisch, Informativ, Inspirierend, Unbeschwert