Was ist Lesen?

Gunny Catell

von Gunny Catell

Story

Mein Anspruch für mein Schreiben ist es immer, der Botschaft des Werkes, über das ich schreibe, möglichst gerecht zu werden, egal was andere darüber denken mögen, wie eine Geschichte auszusehen hat. Es muss für MICH stimmig sein. Ich schreibe auch nicht, um viele „Likes“ zu bekommen. Ich möchte auch nicht dem Mainstream folgen, sondern meiner inneren Überzeugung. Ich muss nicht Literaturwissenschaft studiert haben, sondern ich habe Literatur oder (Auto-) Biographien mein Leben lang mit Enthusiasmus GELESEN.

Oberflächliche Effekthascherei, und ob etwas „trendy“ ist, lässt mich kalt, ist Zeitverschwendung. Ich möchte in einer Geschichte die Tiefe erahnen, das Mysterium. Ich schreibe nicht für die Story des Tages, obwohl auch das erfreuen würde, nicht einen ewig gleichen „Breaking-News“ Artikel, sondern ich schreibe auch, um MIR ein „Like“ zu geben. Außerdem liebe ich Experimente, wenn jemand sich immer wieder neu erfindet. Alltagssituationen, auf eine Seite aufgeblasen, sind nicht meins. Sie erscheinen mir, als würde jemand auf Instagram posten, wie er gerade ein Butterbrot isst – und am nächsten Tag ein Käsebrot usw..

Wenn ich mich zum Schreiben durchringe, liegt sehr viel Erlebtes darin, nur dann habe ich Lust, anderen etwas mitzuteilen. Ich posaune nicht jedes meiner Gefühle in die Welt hinaus, nur um mich abzureagieren. Ich finde das Leben viel zu kurz, als dass ich mich ständig über andere aufrege; was aber nicht heißt, dass ich die Welt nicht verändern will – oh doch! Ich will die Welt aber nicht nur kurz aufblättern, umblättern, verblättern, zumachen. Ich möchte das Geheimnis dahinter entdecken, nicht sofort meine Meinung bestätigt wissen. Ich liebe Bücher, wo das Unsagbare umkreist und umhegt wird.

Aber was liest die Bevölkerung? Schon 1980 kam die schöne Literatur erst am 11. Platz (Krimis), moderne Literatur am 19., klassische am 32. Platz. Und heute, in Zeiten von Social Media und Internet?

Was ist Lesen? Von Fritz J. Raddatz habe ich gelernt: „Lesen ist die große Wanderung durch das Unwirkliche, ist die Chance zur Besinnung, zur Selbstbegegnung. Wer sich dem Sog fremder Phantasie nie ausgesetzt hat, kann sehr schwer eigene entwickeln, kann Bedrohungen und Zwänge der wirklichen Welt kaum Aktivitäten entgegensetzen, nicht einmal Toleranz. Literatur setzt einen Sensibilisierungsprozess in Gang. Lesen heißt, seine gesamte Aufnahmeapparatur verändern, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Texte können wecken, was an Lust, Neugier, Abwehrreaktion, Differenzierungsvermögen im Menschen latent vorhanden ist. Literatur ist ein Angebot, die eigenen Kompliziertheiten besser zu verstehen und damit die Welt durchschaubarer zu machen.“

Um die Welt besser zu verstehen, hat die Redaktion der ZEIT die Bibliothek der 100 Bücher erstellt. Sie hat mir 1980 immens geholfen, die ganze Welt des Lesens zu verstehen. Ein immenser Schatz, der sich immer wieder lohnt, durchstöbert zu werden.

© Gunny Catell 2021-12-05

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