Es war bisher der heißeste Tag des Jahres, den wir mit allen Ganztagskindern der Grundschule auf dem Schulhof verbrachten. Wir standen zu dritt in einer schattigen Ecke des Hofes und unterhielten uns mit ein paar Kindern. Eines davon, ein Drittklässler, wedelte sich mit einer Hand Luft zu und stöhnte auf. “Es ist so heiß.” Ich nickte mitleidig und seufzte. Der zweite Durchgang des Mittagessens lag gerade hinter uns und in einer Viertelstunde würde die schrille Schulglocke die Hausaufgabenzeit verkünden. Ich freute mich darauf, in einem kühlen Klassenzimmer zu sitzen.Damian, einer meiner Lieblingskollegen, seufzte. „Nachher holen wir den Gartenschlauch raus und veranstalten eine Wasserschlacht mit den Ganztagskindern, das hält ja kein Mensch aus.” Er griff nach dem oberen Saum seines T-Shirts und wedelte sich damit Luft zu. “Bitte.” Maike, eine andere Kollegin, nickte zustimmend und schloss gequält die Augen. “Nein, ich will jetzt schon eine Wasserschlacht machen.” Eine Zweitklässlerin sah uns enttäuscht an und verschränkte die Arme. “Das geht nicht.” Bedauernd zuckte ich mit den Schultern. „Du wirst in zehn Minuten abgeholt. Ich glaube nicht, dass die Mama es so toll findet, wenn ihr Auto klatschnass wird.“An unserer Grundschule gab es für den Nachmittag zwei Optionen. Entweder, die Kinder gingen nach dem Mittagessen und einer kurzen Hofpause nach Hause oder sie waren Ganztagskinder und blieben, bis die Schule endgültig für den Tag schloss. Das Mädchen wurde jeden Tag nach dem Essen abgeholt und war somit kein Kind, das unsere Ganztagsschule besuchte. “Manno.“ Sie knurrte „Ich wär auch gern ganztags.” Das Wort ‘ganztags’ hatte sich unter den Schülern als eigenständiges Adjektiv etabliert, das zwar grammatikalisch nicht unbedingt korrekt, aber verständlich für alle war.
Die Zeit, bis es endlich zur erlösenden Hausaufgabenzeit klingelte, zog sich wie Kaugummi. Fünf Minuten, bevor die Hofpause zuende war, ließ ich die Kinder den Schulhof aufräumen. Sie trugen Bälle, Roller und Seile an mir vorbei und verstauten alles in einer großen Kiste neben der Eingangstür. Damian und ich rollten gerade ein langes Seil auf, als wir einen nicht jugendfreien Witz von dem Drittklässler hörten, der nun nicht mehr bei uns, sondern mit zwei Mitschülern neben der Tür stand. Gerade wollte ich zu einem Tadel ausholen, als eine kleine Erstklässlerin mit den Augen rollte und ihn anschnauzte. “Man, bist du pervers.“ Ich wusste nicht, wo sie dieses Wort aufgeschnappt hatte, jedoch wirkte es. Der Drittklässler sah sie entgeistert an. Dann wurde sein Gesichtsausdruck trotzig. “Ich bin nicht pervers, ich bin ganztags.”, zischte er und wandte sich ab. Maike, Damian und ich brachen in lautes Gelächter aus. Offenbar hatte der Schüler nicht die geringste Ahnung, was das Wort zu bedeuten hatte und hatte versucht zu kontern. “Wir brauchen alle T-Shirts mit dem Spruch!”, japste Damian und erntete zustimmendes Gelächter.
© Karen Anja Junkermann 2023-01-29