Zenzi weiĂź es. Franzl auch. Nur Bert nicht.
Bert
Bert ist jung. Schick. Kreativ. Und am Puls der Zeit. Denkt er. Jeden Tag erstellt er Werbetexte. Werbung, die wirkt. Werbung, die verführt. Werbung, die unter die Haut geht. Denkt er. Sein Job macht ihm Spaß. Meistens, zumindest. Eigentlich hat er im Texten seinen Traumjob gefunden, den er schon immer machen wollte. Eigentlich. Bert beschreibt täglich das beste Duschgel, das ungewöhnlichste Hotel, die tollsten Location der Welt. Das biologischste Brot, die freilaufendsten Hühner, die nachhaltigsten Rennautos. Kunden lieben seine Texte. Denkt er.
Bert hat erfahren, dass Menschen in den westlichen Gegenden am besten auf Werbung reagieren, wenn sie humorvoll ist. Da er flexibel ist, hat Bert sein Credo sofort angepasst: Smart, prägnant, humorvoll sollen seine Texte sein.
Bert ist immer up to date. Kein Trend entgeht ihm. Deswegen sind seine Texte heiß begehrt. Seit Jahren. Obwohl… In letzter Zeit hat Bert das Gefühl, dass die Begeisterung für seine Werbetexte etwas nachgelassen hat. Das ärgert ihn. Eigentlich ist das für Bert aber kein Problem. Denn Bert weiß, wie man Gewöhnliches so verpackt, dass es außen glänzt. Er weiß, wie man Wünsche erzeugt. Und er weiß, wie man sie befriedigt. Und mit diesem Wissen wird er auch in Zukunft erfolgreich sein. Denkt er.
Franzl
Franzl ist Berts Freund. Doch in letzter Zeit kriselt es ganz gewaltig. Franzl hat genug von Berts permanenter Werbesprache, die schon längst Eingang in sein Privatleben gefunden hat. Nicht einmal Berts neuerdings erlernter Humor bringt Auflockerung in ihre Beziehung. Franz hat genug von abgedroschenen Phrasen, leeren Floskeln, die nichts heißen, einer Hülle, unter der nur Dreck ist. Franzl flucht in letzter Zeit immer häufiger, was Bert missfällt. Ist das wirklich sein Franzl? Der schimpft und flucht? Der manchmal viel zu laut lacht und sich beim Gähnen die Hand nicht vor den Mund hält?
Franzl hat die Schnauze voll von Sprüchen, die nicht richtig sind. Von manipulativen Aussagen. Von leeren Floskeln. Von allem, was wie eine Blase zerplatz, wenn man es auch nur leicht berührt. „Halt einmal die Goschn!“, ist es ihm kürzlich entfahren, als Bert ihm wieder einmal die Beziehung erklären wollte. „Lüge deine Kunden an – aber mich nicht!“ Das hat den Bert doch etwas wachgerüttelt. Vielleicht sollte er ein wenig ehrlicher sein. Ein wenig authentischer. Vielleicht ein bisschen weniger versuchen, Franzl auszutricksen, wenn er seine Wünsche durchsetzen wollte. Vielleicht. […]
Teil II → siehe meine Storys!
© Anna Maurer (Derndorfer) 2021-04-13