Was macht es (un)sozial?

Kerry-Lynn Neumann

von Kerry-Lynn Neumann

Story

Nun dafür müssen wir erst einmal verstehen, was wir, hier in diesem Buch unter sozial verstehen. Hierbei fokussiere ich mich, möglichst, auf Berufe. Doch wie alles im Leben gibt es fließende Übergänge. Hierbei ganz besonders. Es gibt nicht umsonst den Spruch: im sozialen Beruf stehst du immer mit einem Bein im Gefängnis. Wir arbeiten mit Menschen, wenn Fehler gemacht werden, können wir jemandem ernsthaft schaden. Eben, weil es kein Gegenstand ist den man im Zweifel ersetzen oder kleben kann. Sozial bedeutet so viel wie hilfsbereit sein. Im sozialen Beruf bedeutet es, dass wir mit Menschen direkt arbeiten oder uns um Menschen kümmern. Beispielsweise brauchen Kinder Fürsorge und jemanden der auf sie achtet, wenn man es gerade selbst nicht kann. Jugendliche können uns als Orientierung anerkennen und Erwachsene als Stütze in schweren Zeiten. Nach einem Unfall oder auch wenn wir in ein Alter kommen, wo wir merken, wir können nicht mehr wie zuvor. Also warum haben andere und ich selbst immer mehr das Gefühl, dass die Menschen immer unsozialer werden? Besonders in den sozialen Berufen. Das passt ja nicht so zusammen, oder? Nun was ich als Ehefrau und Freundin gelernt und gemerkt habe: Menschen aus dem sozialen, der Pflege zum Beispiel: die tragen andere, oft wortwörtlich. Doch ich meine auch psychisch. Es ist leider nicht getan damit, wenn du jemanden lagerst. Du kannst Menschen nicht wie Ware auf einem Kassenband behandeln, ohne das du und er oder ihr beide leidet. Leid ist Schmerz den wir länger ertragen. Er zermürbt einen und macht uns oft unglücklich. Er lässt uns hinterfragen. Kann ich nicht (mehr) mit Menschen? Was stimmt nicht mit mir? Alle anderen scheinen, es doch auch zu schaffen! Wieso bin ich so sensibel? Warum habe ich solche Wucht an Gefühlen oder fühle mich so leer? Wie soll ich das (alleine) schaffen? Geht es nur mir so? Wieso redet niemand darüber? Wenn ein Mensch sich offenbart, wird er verurteilt, bewertet und kritisiert, oder es wird noch nachgetreten. Wofür soll ich es noch versuchen oder überhaupt anstrengen? Wenn du solche Gedanken hast, hattest oder noch haben wirst, du bist nicht alleine! Jeder Mensch hinterfragt sich mindestens einmal im Leben. Das ist auch gut so. Denn wenn wir nicht genug Kraft haben und nicht wir selbst sind, können wir (meist) nicht für andere da sein. Manche Menschen müssen sich emotional auch distanzieren. Wie ein Arzt oder Therapeut. Bringt ja auch nichts, wenn diese selbst behandelt werden müssen. Aber auch ihnen passiert es sich zu verlieren. Eben, weil wir alle menschlich sind als Mensch. Wo wären wir nur, wenn wir alle studierte sind? Kaum Lebenserfahrungen, überforderter an der Flut an Aufgaben. Ein Arzt auch pflegen müsste ohne sein Pflegepersonal. Klar, wir wären wahrscheinlich unglaubliche Multitalente, mit einzigartigen Fähigkeiten. Sind wir dann aber entlasteter? Ich denke nicht. Es gibt nicht ohne Grund die Helfer. Die kleineren Superhelden, die im Hintergrund. Oftmals im Schatten, hinter der Bühne. Beruflich und privat gibt es das. Der Elternteil, der gerade nicht arbeitet, der Mensch dem seine Gesundheit momentan wichtiger ist, als das Papier das wir gegen Güter tauschen können. Sind wir also manchmal unsozialer, weil wir hilflose Helfer geworden sind? Vielleicht. Die Pandemie mit dem großen C. hat alles sichtbarer als je zuvor gemacht und dennoch hat sich kaum etwas für alle verbessert.

© Kerry-Lynn Neumann 2025-01-26

Genres
Lebenshilfe