von Christian Fleck
Das steht auf der linken Seite des Eingangstors des Friedhofs von St. Georgen bei Eisenstadt. Für die Nicht-Geographen: ein kleines, friedlich anmutendes Dorf im Burgenland. Cooler Flair dort.
„Was ihr seid, das waren wir“ steht auf der Rechten. Ich weiß nicht mehr welchen Satz ich zuerst gesehen hab, aber es hat was mit mir gemacht. In Sekundenbruchteilen.
Passiert ist das nur, weil wir das Auto am Parkplatz des Friedhofs abgestellt haben und der Wanderweg in die Alpen des Burgenlands (Leithagebirge) am Friedhof vorbeiführte. Das war jetzt aber sekundär. Die Marmorplatten ließen mich nicht mehr los. Der alte Herr auf der Bank neben dem Friedhofstor musterte mich von oben nach unten. Was macht der Fremde da? Den kenn ich nicht. Zumindest hat es sich so angefühlt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er keinen blassen Schimmer hatte, was in dem Moment passiert ist. Woher auch.
Du kennst vielleicht diese Momente, wenn einem ein Licht aufgeht. Auf einmal wird es ganz weit, hell, leicht. Man erfährt ein Gefühl, verliert Übersicht für Zeit und Raum. Es ist schwer, das mit den nur 24 Buchstaben die uns das Alphabet gibt, zu beschreiben.
Einen solchen Moment hatte ich, als ich vor dem Friedhofstor stand. Blick nach links, Blick nach rechts. Immer wieder. Ich blickte durch das Tor, und sehe auf die Grabsteine. Im Hintergrund singen die Vögel ihre sanften Melodien, die Sonne brennt mir in den Nacken und ich hab den Geruch von Wiesen im Hochsommer in der Nase.
Ich erkannte, dass ich endlich mit Sicherheit irgendetwas sicher weiß. Nämlich, dass ich auch – irgendwann auf jeden Fall – einer von denen werde. Gleichzeitig realisierte ich, dass ich sicher sein kann, dass ich sonst nichts sicher weiß.
Dann aus heiterem Himmel kurz das Gefühl von Panik. Der Herzschlag geht hoch. Ich spüre wie meine Beine ganz leicht zittern. Was ich ja noch alles machen möchte. Ich wüsste ja nicht, ob sich das ausgeht.
Im nächsten Moment ist etwas in mich gefahren. Ich hab mich gefragt: Was hindert dich daran, einfach mal zu machen? Christian, wovor hast du Angst? Was passiert da gerade?
Was für eine Befreiung. In dem Moment hatte ich der inneren Stimme ihren Platz zugewiesen. Geiles Gefühl. Wie in einem Film ratterten noch kurz Momente aus der Vergangenheit vorbei, in denen ich mir die Sicherheit so sehr wünschte. Die dann – Überraschung – nicht so eingetreten sind. Danach spürte ich eine ganz weiche, sanfte, gleichzeitig unglaublich kraftvolle innere Ruhe.
Was wir sind, das werdet ihr. Was ihr seid, das waren wir.
© Christian Fleck 2020-11-16