Wassermann, Wasserfrau, Wasserwesen

JanGroenhain

von JanGroenhain

Story
Europa 2024

Die „Europäische Agentur für angewandte Genderforschung und Überwachung der artgerechten Genderanwendung“ ist laufend auf der Suche nach Betätigungsfeldern, um Lücken im Genderunwesen zu identifizieren und zu beseitigen. Kürzlich wurden die Sternzeichen auserkoren, um fachgerecht gegendert zu werden, sind doch von den zwölf Sternzeichen acht männlich und nur zwei weiblich. Dieses Ungleichgewicht müsse beseitigt werden, war in einer Aussendung zu lesen. Infolgedessen wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, um die Schieflage zu erörtern und Vorschläge zu sammeln, welche dann einem Entscheidungs- gremium vorgelegt werden sollen.

Werfen wir einen Blick auf die aktuellen Arbeitsprotokolle und den Bearbeitungsstatus zu den einzelnen Sternzeichen. Der Löwe ist bereits angehakt. Der wird in der weiblichen Form zur sanftmütigen Löwin. Ebenso der Schütze. Hier soll die feminine Schützin treffsicher zur Anwendung kommen. Beim Krebs und beim Skorpion scheint die Richtung auch klar zu sein. Hier sollen die Krebsin und die Skorpionin Verwendung finden, obwohl diese Begriffe im Duden derzeit noch nicht gelistet sind. Das wird sicher einer Gewöhnung bedürfen.

Es was spannender wird es beim Wassermann. Der steht ja für die männlichen Wassergeister und wird als freiheitsliebend und eher rebellisch eingestuft. Im Gegensatz dazu ist die mythologische Wasserfrau eher sanft und wohlgesonnen und viel weniger dominant als der Wassermann. Somit gibt es hier noch Diskussionen, ob man sich auf die Wasserfrau oder auf das geschlechtsneutrale Wasserwesen einigen soll. Der Steinbock jedenfalls soll zur weiblichen Steingeiß mutieren.

Interessant wird es auch beim Widder. Der Widder kennzeichnet bekannterweise das männliche Schaf, den Schafbock. Das weibliche Schaf ist einfach nur das Schaf. Sollen sich nun alle weiblichen Sternzeichen- Widder künftig als Schaf bezeichnen müssen? Da wird es vermutlich zu emanzipatorischen Protesten kommen, wird doch das Schaf gerne und ungerechterweise als dumm oder einfältig bezeichnet. Und wer will das schon? Eine Alternative wäre hier das Schäfchen. Ähnlich gelagert ist die Sache beim Stier. Naheliegend als weibliche Alternative ist hier die Kuh. Aber wer beschreibt sich schon gerne als Kuh, obwohl die astrologischen Eigenschaften des Stiers mit geduldig, ausdauernd, praktisch und zuverlässig eigentlich feminin und angenehm klingen? Die geschlechtsneutrale Form „Rindvieh“ wirkt jedoch auch nicht verlockend.

Um das Gleichgewicht vollständig herzustellen, müssen konsequenterweise die beiden weiblichen Sternzeichen ins Männliche transferiert werden. Die Waage soll hier möglicherweise zum „Waager“ werden, oder unter Umständen zum „Wieger“. Wirklich heikel ist es allerdings bei der Jungfrau, ist diese Bezeichnung doch sehr geschlechtsspezifisch und nur weiblich vorstellbar. Der „Jungmann“ würde es nun wirklich nicht treffen, eine Alternative wäre der „Keuschmann“. Jedenfalls herrscht im Gremium hier noch Uneinig- und Ratlosigkeit. Deswegen haben alle, die an der vollumfänglichen Vergenderung interessiert sind, die Möglichkeit bis zum 30. Februar des kommenden Jahres Vorschläge einzureichen.

© JanGroenhain 2024-12-16

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