Wege, die keine Wege sind

Eva Mikeska

von Eva Mikeska

Story



Ab sofort muss ich mir angewöhnen, immer gleich Notizen zu machen, wenn mir etwas Schreibens-wertes über den Weg läuft. Im Idealfall sollte ich natürlich gleich mein Buch aufschlagen und losschreiben. Gerade habe ich einen Spaziergang gemacht, der keine wirkliche Route hatte. Ich nenne diese gerne „Kreativspaziergänge“, frei nach Bauchgefühl über Wiesen, durch Wälder – Hauptsache ab vom Weg. Ich habe mich an ein Gespräch erinnert, leider kann ich mich nicht an den treffenden Ausdruck meines Gesprächspartners erinnern. Ich glaube, es war so: „Auf Wege gehen, die keine Wege sind.“
Quintessenz des Gesprächs (für mich) war, welche Abenteuer man erlebt, wenn man nicht den vorgegebenen Wegen folgt, sondern einfach seinem Gefühl, einem Vogel der in eine Richtung fliegt, der Sonne oder gar einem mysteriösen Geräusch hinterherjagt. Wenn ich mich zurückerinnere, laufe ich schon lange nach diesem Motto durchs Leben. Welche wundervollen Erlebnisse ich dadurch erfahren durfte. Welche magischen Orte ich entdeckt habe, welche neuen Erfahrungen ich machen durfte, neue Bekanntschaften gemacht habe und ja, natürlich auch unschöne Passagen ab vom Weg kann ich aufzählen.
Auf dem Weg des Lebens geht es nicht nur um das Schöne, auch die negativen Dinge machen das Leben aus, machen unsere Person aus und lassen uns reifen, um bei der nächsten Abzweigung eine andere Richtung einzuschlagen. Wenn ich mir überlege, wo ich jetzt im Leben stünde, wäre ich nicht von meinem eigentlichen Weg abgebogen und völlig unbekannten Wegen gefolgt. Wahnsinn, ich wäre ein völlig anderer Mensch, der so viele wertvolle Erfahrungen, Momente und Menschen verpasst hätte. Wie froh bin ich, auf mein Gefühl zu hören, wenn alles in mir schreit: „Geh nach rechts, dort wo der Baum mit seinem bunten Blätterwerk steht und dem Bänkchen darunter.“
Ich erinnere mich auch an viele Erlebnisse, bei denen ich nicht nur, wie gerade beschrieben, sinnbildlich ab von Weg gegangen bin. Meine Mutter und ich wollten einmal in Neumarkt auf die Burg Wolfstein hochlaufen. Unsere beflügelnde Unterhaltung verwandelte uns in kleine Rebellinnen, die nicht der Beschilderung folgen wollten. Diese waghalsige Entscheidung führte uns durch Gestrüpp, welches uns zerkratze, über einen nassen Herbstboden, der uns immer wieder herunterrutschen ließ, hin zur steilen Zielgeraden, welche wir auf allen Vieren erklommen – eher erkrabbelt haben. Bei dem Anblick meiner Mutter, wie urkomisch sie dabei aussah, musste ich sehr lachen. Vor allem, weil ich den kleinen Berg bestimmt nicht graziöser erklommen bin.
Hätten wir den beschilderten Weg genommen, hätten wir jetzt keine witzige Geschichte zu erzählen und vor allem kein gemeinsames Abenteuer. Denn solche Alltagsabenteuer schweißen ja auch zusammen. Man hilft sich gegenseitig die Aufgabe gemeinsam zu bezwingen und kann sich hinterher auch gemeinsam im Erfolgsmoment suhlen.
Sind wir mal ehrlich, die schönsten Geschichten, die das Leben schreibt und wir noch lange davon erzählen, passieren ab vom Weg!



© Eva Mikeska 2025-04-19

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Abenteuerlich