von Lavinia Hutt
Es gab eine Zeit, da habâ ich die weichen Stellen an meinem Körper geliebt. Meine HĂŒften, mein Bauch, meine BrĂŒste. Weich und ruhig. Ein Ort zum Ausruhen, zum Innehalten. Doch dann wurden weiche Worte wie Liebe und Ruhe hart und schmerzhaft und pflanzten den ersten Hass tief in mir ein. Mein Körper begann, sich ein Schild zu bauen, um mich zu beschĂŒtzen. Ein Schild aus Knochen, ĂŒberzogen mit Haut, penibel kontrolliert von einem Diktator in meinem Kopf, der mich mit freundlichen Zungen verfĂŒhrte, bevor er die Hand erhob. Plötzlich war jede weiche Stelle eine Bedrohung, ein Fehler, auĂer Kontrolle. Und ich konnte nicht mehr ruhig sitzen, der Diktator in meinem Kopf jagte und jagte mich. Und ich rannte und rannte und baute und baute mir einen Weg zum Fliehen, einen Fluchtweg weg von dem Chaos meiner Gedanken. Ruhe wurde zu Rastlosigkeit, Liebe zu Schmerz zu Stumpfheit und wieder zu Schmerz. Und der Weg, den ich mir baute, war kein Weg, sondern mein eigenes Grab. Und jetzt?
Jetzt verabscheue ich jede weiche Stelle, die mein Körper zurĂŒckgewinnt, der Diktator in meinem Kopf ist zu meiner eigenen Stimme geworden und verfĂŒhrt mich, mit lockender Stimme singt er von Sicherheit und Kontrolle, nach der ich mich so sehne. Ich fĂŒrchte mich vor jeden Schritt weg von diesem Grab, in dem ich so komfortabel geworden bin. So oft wĂŒrde ich am liebsten umdrehen, mich in meinem selbst erschaffenen Grab verstecken, mich hinter meinem tödlichen Schild verschanzen, bis alle VorrĂ€te aufgebraucht sind und ich verhungert bin.
Aber stattdessen gehe ich weiter wie ein RevolutionĂ€r, der gegen sich selbst kĂ€mpft und fĂŒrchte mich vor jeder weichen Stelle, die ich entdecke.
Denn jede dieser Stellen heiĂt ein StĂŒck weniger Schutz. Jede dieser Stellen heiĂt ein StĂŒck Schmerz und Erinnerung, die ich zurĂŒckerlange. Jede weiche Stelle an meinem Körper ist ein StĂŒck abgegebene Kontrolle und jede dieser Stellen macht es mir schwerer, mich zu lieben, sogar mich zu tolerieren.
Aber jede dieser Stellen heiĂt auch ein StĂŒck mehr Leben. Jede weiche Stelle bedeutet ein StĂŒck mehr Hoffnung, dass es besser werden kann und ich ĂŒberlebe. Jede weiche Stelle ist ein Aufschrei meines Körpers gegen den Diktator in meinem Kopf. Diese Stellen, die es mir so schwer machen, erlauben es mir, zu hoffen. In âVerarbeitungâ steckt nicht umsonst das Wort âArbeitâ. Diese Arbeit schmerzt und ist beĂ€ngstigend und hart. Jeder Schritt weg von diesem Grab geht gegen jeden Instinkt, den ich je erlernt habe und jeder Schritt macht den Wunsch, umzukehren, stĂ€rker. Aber momentan hĂ€ngt mein Leben davon ab, weiterzulaufen.
– August 2022 –
© Lavinia Hutt 2024-01-21