Weihnachten einmal anders

LillyRuth

von LillyRuth

Story

Anders war es heuer, unser Weihnachten. Nicht besser. Nicht schlechter. Anders.

Ruhiger und stiller. Dafür weniger geselliger. Ich genoss die Abwesenheit des Trubels, aber gleichzeitig ging mir das Lachen vergangener Jahre ab. Das Blödeln mit meinen Schwestern. Das Scherzen.

Anders war alles. Nicht besser. Nicht schlechter.

Auch das Essen. Gesünder und maßvoller verbrachten wir die Feiertage in diesem Corona-Jahr. Kaum Alkohol. Kein Fleisch. Weniger Süßes. Dafür viel Bewegung. Noch nie in meinem Leben wog ich nach den Festtagen weniger als vorher. Vom gesundheitlichen Aspekt her ist das durchaus wünschenswert. Und wer hat schon Freude mit der unschönen Weihachts-Speckrolle am Bauch? Doch waren die Köstlichkeiten am Festtagstisch nicht auch immer ein Highlight, an das man sich gern erinnerte? Hatte mich nicht vor Jahren der Schwager überschwänglich für die vorzügliche Schokotorte gelobt, die ich zum Weihnachtsessen mitgebracht hatte? Noch heute denke ich gerne daran. Gemeinsame, festliche Mahlzeiten beschränken sich nie nur auf die reine Nahrungsaufnahme. Es geht um Genuss, Kommunikation, Beisammensein.

Anders war alles. Nicht besser. Nicht schlechter.

Unvergesslich an Weihnachten 2020 bleiben für mich die vielen Stunden in der Natur. Dafür war bisher irgendwie nie Zeit gewesen. Oder hatte ich sie mir einfach nicht genommen? Heuer gönnte ich mir diesen Luxus. Am Heiligen Abend marschierte ich nachts mit einer Laterne durch die nahe Umgebung.

Am Vormittag des Christtages zog es mich wieder fort. Während mein Mann dankenswerterweise das Weihnachtsessen im engsten Familienkreis zubereitete, fuhr ich mit dem Auto dorthin, wo frischer Schnee gemeldet worden war. Zum Glück war das nicht sehr weit weg. Im Fahrzeug hörte ich die Weihnachtsmesse im Stephansdom. Ich bin normalerweise kein Kirchengeher. Das dogmatische Korsett bestimmter Glaubensrichtungen ist mir zu eng. Doch an diesem Tag fühlte es sich richtig an, den Worten von Kardinal Schönborn zu lauschen, während ich verträumt durch die Winterlandschaft fuhr. Tröstlich waren sie. Er sprach von der allgegenwärtigen Pandemie und davon, dass Weihnachten trotz allem ein Fest der Hoffnung und des Lichtes sei. Das tat gut. Er sei in Gedanken bei seiner 100-jährigen Mutter, die Weihnachten im Spital verbringen müsse. Ein Mensch aus Fleisch und Blut mit Sorgen und Ängsten wie jeder andere, aber großer Weisheit und Strahlkraft sprach da im Radio und es war eine Wohltat, diesem Mann mein Ohr zu schenken. Während ich das Auto an einer entlegenen Stelle abstellte und in den verschneiten Wald hineinspazierte, hallten die zuvor gehörten Chor-Gesänge im Stephansdom in mir nach. Wunderschön. Eine ganz eigene Weihnachtsstimmung überkam mich. Feierlich. Erhaben fühlte sich alles an dort im einsamen Wald. Unvergleichlich. Unvergesslich.

So wie alles an diesem Weihnachten. Anders war es. Nicht besser. Nicht schlechter. Und trotzdem sehr schön.

© LillyRuth 2020-12-27

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