von psundheit
„Es ist schön, wenn an Weihnachten alle Lieben beisammen sind“. Als diese Worte in der Serie ‚Modern Family‘ ertönen, breche ich in Tränen aus. Einmal mehr wird mir bewusst, dass noch unzählige schwierige Situationen auf mich zukommen werden. Seien es die Familienfeste, Geburtstage oder der jährliche Muttertag im Mai. Immer wirst du fehlen. Es wird jetzt anders sein.
Es fühlt sich an, als hat mir jemand etwas rausgerissen, eine leere Stelle füllt meinen Körper. Ich versuche sie mit schönen Erinnerungen zu füllen. Wenngleich auch das Erinnern schwer fällt.
Wie haben wir deinen letzten Geburtstag gemeinsam zelebriert? Nur nebelige Bilder kommen in mir hervor. Die Pandemie hat sich auch in unserer Familie eingenistet und persönliche Rituale verändert: Heuer waren wir erstmals seit Jahren nicht mehr in deinem Lieblingscafé. Dein Geburtstag wurde mit Abstand gefeiert. Kein Umarmen, kein Bussi, kein Eiskaffee. Ein außergewöhnliches Beisammensein auf der Terrasse, du warst glücklich, weil wir da, doch auch angsterfüllt, weil unser Mund-Nasen-Schutz sehr groß. Ein Lächeln konntest du nur erahnen. Mein Versprechen, den Kaffeehausbesuch mit dir nachzuholen, konnte ich nicht mehr einlösen. Zu lange hat die Pandemie angedauert, zu wenig Zeit hatten wir (noch) mit dir.
Gut erinnere ich mich an viele Adventsonntage, an denen du in vorfreudiger Stimmung Lieder und christliche Textstellen vorbereitet hast. Zu dritt saßen wir um den Adventkranz und verspeisten selbstgebackene Kekse von Oma. Damals, ich gerade mitten zwischen Kind und Erwachsener, wusste die Zeit nur wenig zu schätzen. Peinlich war es mir fast sogar, „Oh Tannenbaum“ zu singen und den vorgetragenen Gedichten von Oma zu lauschen. Doch rückblickend vermisse ich diese Zeit sehr. Vor 2 Jahren ist mir bewusst geworden, wie wichtig dir diese Tage waren. Wie viel sie dir bedeutet haben und Freude bereiteten. Die Weihnachtszeit ist doch eine Zeit der Familie, der Zusammenkunft, der Ruhe. Ich wollte dich unterstützen und habe vorgeschlagen, dieses Ritual wieder einzuführen. Doch zu sehr hat dich deine psychische Krankheit eingenommen und eingeschränkt. Die Kraft für diese Vorbereitungen hat dir schlussendlich gefehlt.
Wie nach Viktor Frankl, „Das Ich wird Ich erst am Du“ – so bin ICH durch DICH. Nicht nur, weil du genetisch meine Mama bist. Sondern vor allem dadurch, weil ich dich ein Stückchen weiterleben lassen möchte. Ich nehme mir vor, etwas von dir zu übernehmen, dich in mir immer wieder aufflackern zu lassen. Nicht immer, aber vor allem dann, wenn ich diese Leere verspüre. Wenn ich dich vermisse. Die Adventsonntage möchte ich nach deiner Art feiern, so wie du es geliebt hast. Es gibt mir Hoffnung und Halt, dass du mich so in Gedanken in der vorweihnachtlichen Zeit begleitest. Ich denke fest daran und hoffe innigst, auch heuer ein Weihnachten mit all meinen Lieben zu haben. Alles tue ich dafür, dass du auch ein Stückchen anwesend sein kannst.
© psundheit 2020-10-28