von Nadja Engel
21.Dezember
Wir liegen gemütlich auf dem Sofa. Im Fernsehen läuft „Kevin allein zu Haus“, herrlich! Ich lache mich kaputt, Rambo zittert und weint – die beiden Verbrecher tun ihm leid. Er versteht das Meisterwerk der Filmindustrie nicht, so ein Idiot!
Übrigens habe ich heute schöne Schneeflocken gesehen. So richtig schönes Winterwetter. Susi erinnert uns daran, dass wir uns bewegen und einen Tannenbaum kaufen sollen. Natürlich fahre ich nicht, das ist Sklavenarbeit. Rambo zieht aber sein Mäntelchen an, es ist schon frostig draußen. Er mag den Winter nicht, weil es draußen so kalt ist und er versucht, sich in der Toilette zu verstecken. Melinda sagt, er soll sich nicht so anstellen, frische Luft tut ihm gut. So ein Weichei, ehrlich … Ich schaue mir „Kevin allein in New York“ so lange an, ganz in Ruhe und ohne abgelenkt zu werden.
Jakob und Melinda kommen mit dem Tannenbaum zurück. Miranda hat rote Bäckchen und lächelt uns an mit Worten: “The smell of pine needles, spruce, and the smell of a Christmas tree, those to me, are the scents of the holidays.” (“Der Geruch von Kiefernnadeln, Fichte und der Duft eines Weihnachtsbaums, das sind für mich die Düfte der Feiertage”). So hübsch und klug ist sie! Habe ich schon geschrieben, dass ich sie mag?
Der Dädl sieht schrecklich aus: halb erfroren, kreidebleich, kriecht er winselnd in die warme Küche. Mein Gott, kann der sich aufstellen! So schlimm kann es doch nicht gewesen sein! Wie konnte Melinda nur so einen Jammerlappen Rambo nennen? Ich decke ihn mit meiner Lieblingsdecke zu.
Jakob stellt die Tanne auf, ich versuche immer mitzuhelfen. Susi hat eine Vorahnung und sagt, ich solle mich schonen, die beiden schaffen das schon alleine. So ein Unsinn! Ohne mich steht die Tanne bestimmt schief und am falschen Platz. Ich will sie genau untersuchen und wie im Film aufstellen – ich habe gesehen, wie es richtig geht! Rambo will gar nicht mithelfen, er sagt, er braucht für die nächsten zwei Tage Urlaub. In diesem Haus muss ich wohl alles alleine machen … Klettere hoch, um zu sehen, ob der Tannenbaum die richtige Höhe hat.
Von oben sieht unser Zimmer so klein aus … Mir wird schwindelig, ich versuche mich festzuhalten, Jakob macht unten etwas, Tanne setzt sich in Bewegung… Und schon kracht die Tanne auf den Glastisch. Ich fliege, alle schreien, Jakob sagt Worte, die ich noch nie gehört habe.
Jetzt sitzen wir mit Rambo im Schrank. Ich drücke meine Ohren an den Kopf und zittere auch vor Angst. Rambo deckt mich auch mit der Decke zu, was für ein guter Freund!
© Nadja Engel 2024-02-09