von Klaus Schedler
Als ich mit dem Einkaufswagerl an den Regalen vorbeifuhr, sah ich eine Packung mit Lebkuchen, gleich daneben Spekulatius und dann Zimtsterne. – Zimtsterne? Wir schrieben den 16. August 2019 und Zimtsterne gelten doch als Weihnachtsbäckerei. Irritiert nahm ich ein Sackerl aus dem Regal, um die Beschreibung zu lesen: Tatsächlich: Das Produkt wurde als traditionelle Weihnachtsbäckerei angepriesen. Nachdenklich legte ich die Packung zurück ins Regal. Eine andere Zeitzone?
Unsere Zeiteinteilung ist nicht selbstverständlich: Die Jahresdauer ergibt sich aus dem Wechsel der Jahreszeiten bzw. der Winter- und Sommersonnenwende. Die Monatseinteilung entspricht dem kompletten Mondzyklus des Jahres und die 7-Tage Woche den 4 Mondphasen. Da diese Phänomene überall auf der Welt identisch und leicht zu beobachten sind, folgt, dass sie in praktisch allen Kulturen verwendet werden.
Anders die christlichen Festtage. Entgegen der Auffassung, dass Weihnachten etwas mit dem Rentier Rudolph, dem Weihnachtsmann oder Father Christmas (Ho-Ho-Ho!) und ähnlichem Marketing-Schmonzes zu tun hat, feiert die Christenheit zu Weihnachten die Geburt Christi. Ebenso endet die Verantwortung des Osterhasen zum Osterfest recht bald, da sich die Christen am ersten auf den Frühlingsvollmond folgenden Sonntag an Christi Auferstehung erinnern. Zugegeben: Die kalendarische Festlegung dieser Feiertage hat nichts mit Christus, sondern damit zu tun, dass man an (bewährte?) heidnische Traditionen anknüpfte: Uralte Feste wurden schlichtweg „getauft“.
Zurück zu den Zimtsternen: Weihnachten ist kein beweglicher Feiertag wie Ostern und die Ursache dieses klar verfrühten Angebots kann somit keinesfalls auf einen heuer besonders frühen Weihnachtstermin zurückgeführt werden. Warum also diese Ungeduld?
Freilich könnte man gefärbte Hühnereier oder Tannenbäume zu jeder Jahreszeit anbieten, doch wenn wir daran glauben, dass jedes Ding seine Zeit hat (Koh 3 1.4) und regional und saisonal einkaufen, freut man sich über die ersten Erdbeeren im Juni oder die ersten heurigen Erdäpfel im August etc., auch wenn es der internationale Warenverkehr ermöglicht, nahezu Alles und Jedes immer und überall zu erhalten.
Für mich bekommen manche Speisen überhaupt erst dadurch einen Reiz, dass sie nur an bestimmten Tagen erhältlich sind: Die Martinigans, der Weihnachtskarpfen, das Osterei oder der Truthahn in Amerika. Das sind Anlässe, zu denen man sich im Familienkreis oder mit Freunden trifft und auf die man sich schon lange vorher freut! Wer sich nicht daran hält, verdirbt sich und anderen die Freude. So geht’s mir bei der Weihnachtsbäckerei im August, die von Jahr zu Jahr früher in der Regalen erscheint.
Seit 2013 bis dato ist die Bäckerei um 14,53 Tage p.a. früher aufgetaucht. Geht das so weiter, ist 2028 die erste Weihnachtsbäckerei bereits kurz vor Ostern im Supermarkt erhältlich. Weihnachtsmann gegen Osterhase? Das könnte böse enden.
© Klaus Schedler 2019-08-18