Weihnachtszeit ist Kuschelzeit? (Essay)

Keine gute Zeit für Kuschelpartys; man kuscht vor dem Virus. Man will sich nicht mit ihm anlegen. Man geht auf Distanz. Das Visavis fehlt – man kapselt sich ab. Härtere Gangart gegen das Virus. Kein Kuschelkurs. Man will es vernichten. Es aushungern. Soziale Distanz. Lockdown-Politik. Zum Ausgleich kann man ja KuschelRock hören.

Oxytocin – das Kuschelhormon – fehlt einem irgendwie. Teddys sitzen als Ersatz-Publikum im Saal – man würde sonst vor leeren Stühlen agieren. Teddys klatschen selten Beifall. Den Kuschelhormonen geht es nicht so gut; kaum einer scheint sie zu benötigen. Man agiert sehr distanziert. Völlig versiffte Welt. Nähe kann zur Gefahr werden. Völlige neue Erfahrung.

Zeit für Lachyoga? Aber nicht im Lachclub. Alles Solo-Veranstaltungen. Als Schriftsteller bittet man Pegasus: „Lach mal wie ein Honigkuchenpferd!“ Man kann von Glück sagen, wenn Pegasus nicht auskeilt. Lachen als Medizin beeindruckt so ein Virus nicht. Es sagt sich: „Ein Superheld mag viril sein. Aber ich bin viral!“ Es hat den Zeitgeist im Griff, in der Mangel. Kann aber maskierte Gegner nicht ausstehen. Unfaire Wrestling-Partner. Es ist gerne virulent; es bewirkt etwas. Es beherrscht die Szene. King of the road.

Büros werden zu kuschelfreien Zonen. Wen soll man knuddeln? Immer nur mit dem eigenen Partner kuscheln zu müssen, ist eine Zumutung. Da bildet sich doch kein Oxytocin. Man braucht mehr von dem Stoff. Gerade zur Weihnachtszeit ist Stimmung angesagt. Wo ist das nächste Kuschelcafé? Man ist anlehnungsbedürftig. Wo sind die netten Hostessen?

Früher gab es noch Free Hugs – Gratis-Umarmungen. Man könnte immerhin weiterhin Bäume umarmen. Aber die Wölfe gucken einen dabei so seltsam an – als ob man eine Meise hätte. Sie zählen auf die Schafe – aber das ist eher ein Konfrontationskurs. Obwohl sie sehr kuschelig sind.

Man sollte es wie Linus machen – und sich eine anständige Kuscheldecke besorgen. Eine security blanket – an was soll man sich sonst klammern? Jeder Manager sollte die in seinem Aktenkoffer stets bei sich führen. Damit meistert man Konflikte souveräner.

Wie aktiviert man dieses verdammte Kuschelhormon? Oxytocin-Nasenspray? Eine Gesellschaft unter Kuschel-Entzug. Man nickt sich zu. Man bleibt förmlich, reserviert. Herzlichkeit ist für die virtuelle Welt reserviert. Avatare und Emojis fallen sich in die Arme. Ihnen ist Nähe gestattet.

Andere Hormone bekommen ihre Chance: Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol … Dem Weihnachtsmann ist nicht wohl – stressverseuchte Städte. Trotz Wohlfühlmusik. Außerdem soll er jetzt auch ’ne Schutzmaske tragen. Er hat keinen Impfausweis dabei. Kamin-Einreiseverbot.

Berührungsängste haben Konjunktur. Man ist vor allem mit dem Touchscreen beschäftigt. Geselligkeit wurde zum Luxus. Das Virus ist ein übler Geselle – feiert Klon-Partys in den Zellen. Eine Festivität, bei der die Antikörper nicht erwünscht sind.

ENDE