Weil ich jetzt jung bin

Hannah Krahn

von Hannah Krahn

Story

Ich bin jung und bin gesund – und meinem Leben fehlt Konzept. Fühl mich, als hätt‘ ich alle Zutaten, doch leider kein Rezept – um was Gescheites draus zu machen. Mich interessiert so vieles ein Bisschen, aber irgendwie nichts so richtig – ich würd‘ so vieles gern‘ probier’n – ich bin doch nicht ganz dicht, ich_ frag mich: womit soll ich denn anfangen – ich will doch nichts versäumen, ich: hab‘ manchmal das Gefühl, ich seh den Wald vor lauter Träumen nicht.

Und manchmal mach‘ ich dann den Fehler, mich mit Freunden zu vergleichen – bei denen scheint alles viel klarer und bei denen scheinen die Weichen_schon so gestellt zu sein – ich mein: Die könnten mir sagen, wo sie sich selber in 5 Jahren seh’n – und scheinen mit beiden Beinen fest im Leben zu steh’n. Die wohnen schon zu Hauf‘ mit ihren Partnern zusamm‘ – fangen an Familien zu gründen und sind im Job angekomm‘. Alle scheinen auf einen gewissen Punkt_ zuzusteuern……nur ich bin die einzige, bei der das nicht funkt_ioniert: Im Vergleich mit allen ander’n fühle ich mich eher wie: So’n morsches Stückchen Treibholz, das im Fluss irgendwie nie – so wirklich vorwärts kommt.

Wir sind mal alle an derselben Linie gestartet. Doch während die anderen ganz offensichtlich durchgestartet sind – hab ich theoretisch auch viel vor, mach‘ aber praktisch zu viel wenig. Denn das was ich alles will, kann ein Mensch eh nich‘ alles schaffen.

Ich hab‘ nicht zwei – ich hab zehn Herzen in der Brust; die alle unterschiedlich schlagen und sich nur wenig vertragen: ich will die letzte auf jeder Party sein; ich will die Beste bei mir auf der Arbeit sein,

ich will die Welt bereisen und eine Heimat finden – ich will unabhängig sein, doch ich will mich auch binden.

Ich würd‘ gern viel mehr Sprachen sprechen können, ich wär‘ gern viel öfter still – ich wär‘ gern lässig und spontan, doch wüsst‘ auch gern mal, was ich will.

Ich denk‘ mir, viele Kinder wären toll, aber Karriere auch – ich hau‘ mir meinen Teller voll und träum‘ von einem flachen Bauch.

Ich will irgendwie zu viel und vor allem nichts versäumen, ich: hab dauernd das Gefühl, ich seh den Wald vor lauter Träumen nicht.

Wär mein Leben eine Serie, wär‘ ich so Staffel 3: also irgendwie mittendrin, doch ich hab‘ kein Plan wie’s wohl weil_ter geht. Wir sind mal alle an der selben Linie gestartet. Doch während die anderen ganz offensichtlich durchgestartet_ sind – muss ich meinen Weg finden und mich mal wieder dran erinnern: dass keinen Plan zu haben, auch Freiheit ist – die Qual der Wahl zu haben vor allem Luxus ist. Dass noch nicht festgelegt zu sein, auch Leichtigkeit heißt – im Hier und Jetzt zu leben sich nicht mit Zukunft beißt. Und dass ich Zeit hab. Weil ich jung bin. Und dass ich doch noch so viel_ausprobieren kann und dass der Umweg das Ziel_ist. Und dass das Leben ist und die Suche der Sinn – und ich den Wald manchmal nicht seh‘, weil ich schon lange mitten drin bin.

Und eigentlich genieß ich diese Phase ja doch – ich mein: so offen und frei, wird man ja wohl nicht nochmal sein.

© Hannah Krahn 2022-06-22

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