Stolz und Vorurteil war neben einer Vase mit Schneeglöckchen auf ihrer Fensterbank aufgebaut. Es hatte etwas Ästhetisches an sich, genau wie ihr Zimmer, welches sonst blumenfrei war. Dieses überraschte mich ein bisschen. Haruka war für mich immer das Blumenmädchen. Die Blume des Frühlings, so wie ich sie kennengelernt hatte. An einem Sonntag im Frühling. .
„Ich liebe dieses Buch. Jane Austen ist eine der berühmtesten Schriftstellerinnen und ich wünschte, noch mehr Autorinnen wären so bekannt. Wir Frauen gehen in vielen Aspekten immer unter. Ich habe mir geschworen für uns zu kämpfen. Für mehr. Einfach viel mehr. Das haben wir doch verdient.“ Sie schlenderte in ihrem Zimmer auf und ab und mein Blick schweifte zu ihrem Bücherregal, welches vollgestopft mit verschiedenen Literaturen und Romanen war. Von Klassik, zu Dramen, zu Lyrik bis hin zu historischen Romanen und sogar Thrillern stapelten sich auf den Brettern und vor dem Regal auf dem kieferhölzernen Boden. Es war ein vielfältiges Chaos und ich mochte es. Es spiegelte ihre Art auf eine paradoxe und kontrastreiche Seite wider. Sie war ein Phänomen an sich.
„Das stimmt“, nickte ich auf ihre Aussage und mehr konnte ich nicht dazu sagen, denn sie hatte recht. Sie verdienten mehr, als dass was sie jetzt hatten. Haruka verdiente mehr. Ich wünschte, ich könnte es ihr geben, all das, was sie sich wünschte. Aber ich war weder ein Magier, noch war ich die Hauptperson in einen unserer Bücher. Mein Blick fiel auf ihre gerahmten Photographien, welche sie und ihr Bruder zeigten. Zwillinge, von Zeus geschaffen, als wären sie Engel, die auf unsere Erde gesandt wurden. Vielleicht waren sie wirklich da, um unsere Welt besser zu machen.
„Bist du nicht manchmal müde?“, fragte ich dann, als ich an ihr Fenster trat. Ich spürte ihre Blicke auf meinem Rücken. Ich spürte das Kribbeln, welches sich meinen Körper hochzog.
„Wovon?“, fragte sie leise und ich entdeckte ihren Schneeglöckchenbaum, der ruhig im Garten stand. Die Schönheit der Welt, dachte ich mir. Genau wie die Bilder in ihrem Zimmer von verschiedenen Orten und Landschaften auf der Welt. Ob sie hier auch wegwollte? Dem allen entkommen und die Schönheit der Welt sehen?
„Von allen.“
Von der Welt, von den Menschen, vom Leben. Deshalb wollte ich den blumenlosen Hügeln entkommen. Ich wollte eine Hyazinthenwiese vor mir und nicht mehr unter mir.
Harukas Blick wanderte zu mir, dann sahen wir uns eine Weile an, und ich sah so viel Emotion in ihren Augen. Es war ein tonloser lauter Moment, dass all die Farben der Welt sich zu vereinen schienen und sich in ihren Augen sammelten. Sie lächelte leicht, als sie sagte:
„Manchmal.“
© Ayleen Rauschenbach 2023-08-17