Ein Stück der Rückfahrt brachte ich mit anderen Teilnehmern hinter mich. Wir standen am Bahnsteig Wintzingerode. Simone und Sven wurden im PKW mitgenommen. Eine Mitstreiterin fragte, wo ich wohne. Sie war aus Thüringen. Es ging natürlich voll gegen die Sachsen – wir wären auch solche Experten. Die Länder waren in der DDR 1953 abgeschafft und noch nicht wieder eingeführt worden. Wir waren die Ländereinteilung nicht gewöhnt, kannten nur die Bezirke. An Bahnstationen stand trotzdem über die Jahre z. B. Aue/Sachsen.
Rehau, 31.3.90: Ein Start in der BRD war zu diesem Zeitpunkt fast schon eine Selbstverständlichkeit. Ich war mit dem Zug angereist, übernachtete bei Verwandten. Die übrigen Zwickauer kamen Samstagmorgen per Bahn bzw. mit Gudulas Trabi. Wir trafen Herrn Kastner, gingen in einen Supermarkt. Gudula füllte ihr Auto mit mehreren Paletten Jogurt. Eine Teilnehmerin hielt Ausschau nach Katzenfutter. Herr Kastner verteilte Einkaufsbeutel aus Stoff, u. a. mit aufgedruckter Werbung für die Volkshochschule, damit wir im Geschäft keine Plastiktüten nehmen. Man war für Umweltschutz sehr engagiert. Nach den Besorgungen ging ’s mit mehreren Autos zur Realschule. Zu Gast in Oberfragen waren unter Leitung des Kreisvorsitzenden Heinz St. und der Vorstandsmitglieder Frau R. und Frau G. 9 Wettschreiberinnen aus Zwickau. Die Weichen für dieses deutsch-deutsche Treffen wurden bereits Ende 1989 gestellt, als der Vorsitzende des Stenografenvereins Rehau, Herr Kastner, Verbindung zu unserem Kreisverband aufnahm. So erging die Einladung zum Jugend-Pokalschreiben, wir nahmen außer Konkurrenz teil. Optimale Wettkampfbedingungen bot die Staatliche Realschule. Elektronische und mechanische Leihmaschinen standen zur Verfügung, fürs leibliche Wohl war bestens gesorgt. In den Wettbewerbsdisziplinen Briefgestaltung nach langschriftlicher Vorlage, 10-Minuten-Schnellschreiben auf der Schreibmaschine, ich erreichte 3330 Anschläge, Stenogrammübertragung in steigender Geschwindigkeit, Grundklasse 60 bis 150 Silben – ich schaffte 10 Minuten/Note 1 – waren alle Zwickauerinnen erfolgreich. Es war ein Brief, den ein Handwerker seiner Kundschaft schrieb – Lieferung von Schränken etc. Im Laufe des ereignisreichen Tages wurden Kontakte zwischen den Mannschaften geknüpft. Eine Dame von einem mit Rehau befreundeten Verein unterhielt sich mit mir über die GSM in Saalfeld. Der Kreisverband war mal im Stenopraktiker vorgestellt worden, ich hatte den Namen der Vorsitzenden schon gehört. Am Abend beim gemütlichen Beisammensein im ASV-Heim hielten die Gastgeber für uns Urkunden und kleine Erinnerungsgeschenke bereit (die „Königlich-bayerische Schreibmaschine“ – ein Klappkugelschreiber in den Farben des Freistaats und ein Büro-Kästchen mit Lineal, Klammerhexe, Klebeband, Leim, Büroklammern – alles im Kleinformat). Beeindruckt vom Gesehenen und Gehörten traten wir die Heimreise an. Wir hatten viel voneinander erfahren, was helfen wird, die Beziehungen zu den Stenofreunden auszubauen.
© Annemarie Baumgarten 2024-06-14