von Helga Trautsch
Zum Ausklang noch einige Erlebnisse aus meiner Lehrzeit.
Der liebe Rudi verließ mich leichten Herzens. Über einen seiner Freund:innen erfuhr ich, dass er nicht das große Los gezogen hatte. Auf die Frage nach seiner neuen Lehrerin bekannte er enttäuscht, sie sei noch ärger als ich… Zur selben Erkenntnis kam übrigens der kleine Pascal auch.
Bernhard, ein Integrationskind, holte mit seiner Mama seine Schwester nach dem Haltungsturnen regelmäßig ab. Mich würdigte er keines Blickes, obwohl ich ihn freundlich grüßte. Eines Tages reichte es mir: „Kannst Du tatsächlich nicht grüßen?“ Beim Weggehen sagte ich zu ihm: „Wenn Du beim nächsten Mal grüßt, bekommst Du ein Stück Schokolade.“ Gesagt, getan. Seither grüßte er mit Schokolade und auch ohne.
Hinter dem großen Setzkasten verborgen stand ich, in jeder Hand zwei Spielfiguren haltend und spielte in Form eines Marionettentheaters das spannende Märchen „Kasperl rettet den Schulwart“. Ein böser Zauberer hatte den Schulwart nämlich in ein Staubkorn verwandelt. Daraufhin versprach er, nie mehr Staub umherliegen zu lassen. Mir rann der Schweiß von der Stirn und ich konnte nicht sehen, ob das Stück den Kindern gefiel! Wo waren diese überhaupt? Noch nie waren sie so ruhig gewesen! Natürlich waren sie da und klatschten, als die Vorstellung beendet war, gebührenden Beifall! Unser Schulwart würdigte meinen Eifer nicht…
Meine zuvor erwähnte Enkelin erhielt – damals im Alter von fünf Jahren – ein besonderes Geschenk von mir: Für Kinder meiner ersten Klasse hatte ich Lernspiele gebastelt. Da ich viele Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache hatte, entwarf ich ein Kartenspiel, indem ich die Namen von vertrauten Gegenständen auf Kärtchen schrieb und sie auseinanderschnitt. Dann ging es los: Ich sagte „Ich suche meinen Bleistift“. Das erste Wortstück war leicht zu finden, denn da war noch ein Bild des Wortes dabei. Wer es fand, durfte es nehmen. Fand man das zweite Wortstück nicht, gehörte dem Kind das Wort, das die Karte ohne Bild fand. Das wäre für meine Enkelin zu schwer gewesen. Sie kam ja erst im Herbst in die Schule. Also suchten wir Wörter, die sie zum Teil aus dem Kindergarten kannte: Mama, Oma, Melanie, Mimi… Wieder wurde zerschnitten und zusammengebaut, gerufen und „gezaubert“. Sie durfte zuschauen, wie aus MAMA auf einmal MAMI wurde. Dann musste sie die Augen schließen und plötzlich stand da LAMA. Und sie erriet, was das hieß! Neue Wörter sollen nicht „Vokabeln“ sein. Aus dem Buchstabensalat etwas Lebendiges machen, das man wie ein kleiner Zauberer vor den Augen der Kinder Wörter verändern darf. Und so wird ganz leicht wird aus einem Hund, ein Mund, usw. Und so soll es, zumindest meiner Erfahrung nach sein: Spielend lernen und lernend spielen. Abschließend noch Erinnerungen zum Zusammenhalt, trotz Unterschiede, meiner Klassen.
© Helga Trautsch 2022-01-08