von Raphael Stompe
2023
Ich falle rĂŒckwĂ€rts aus dem fliegenden Helikopter, mein Bart und meine langen Haare flattern in der Luft. Der Mann, der mich mit einem Tritt und einem hĂ€mischen Grinsen auf den Lippen in knapp 50 Metern Höhe in den Abgrund gekickt hat, war mein GeschĂ€ftspartner. Mein Blick der sich in seinen braunen, sich entfernenden Augen spiegelt ist erst irritiert, dann heben sich meine Augenbrauen und ich recke ihm den Mittelfinger entgegen. Ich verfluche ihn mit dem letzten Rest vorhandener Luft in meiner Lunge. Im nĂ€chsten Moment schlĂ€gt mir das Meer gegen den Hinterkopf. Meine Knie treffen knapp neben meinem SchĂ€del auf das Wasser auf, mit einem Schlag fĂŒhlt sich mein Bewusstsein an als wĂ€re es aus meinem Körper gerissen worden. Ich sinke in die Tiefe, ein Druck steigt in meinem SchĂ€del auf, aber mein Sein ist so weit weg, dass ich es nicht spĂŒre. Mein Mund reiĂt auf und ich schnappe nach Luft, aber stattdessen strömt salziges Meereswasser in mich und fĂŒllt meine Lunge. Mein Körper drĂ€ngt nach Luft und immer mehr von dem Wasser dringt in mich. Es wird kalt, alles um mich herum wird schwĂ€rzer. Meine Seele bereitet sich darauf vor den Körper zu verlassen. Oder es fĂŒhlt sich zumindest so an, als wĂŒrde sie sich langsam zurĂŒckziehen, als plötzlich ein grĂŒnes Leuchten seinen Weg zu mir sucht. Meine von dem Aufprall geschlagenen Augen glauben zuerst es sei ein Fisch, der sich im Wasser vorsichtig annĂ€hert, aber es leuchtet in so einer wohltuenden Farbe, dass ich den Gedanken verwerfen muss. Ich fĂŒhle, wie ich darin aufgenommen werde. Ich gleite darauf hin â ich â aber nicht mein Körper, der sinkt, als leblose HĂŒlle weiter in den dunklen Abgrund. Ich bin gleite auf dem Strom des Lebens. Ich verstehe alles und bin mit der gesamten Welt verbunden.
2043
Die Klammermaschine bindet die Seiten mit einem Klacken aneinander. Ich seufze, hebe die die 20 Exemplare der PrĂ€sentationsbögen, die ich fĂŒr Favis vorbereiten durfte und klemme mir zwei Becher Kaffee unter den Arm. Vorsichtig balanciere ich sie in Richtung Aufzug. Ich drĂŒcke den Knopf und fahre mit ihr bis in die oberste Etage. Ich gehe an der SekretĂ€rin vorbei und nicke ihr freundlich zu. Ich habe Steffi die letzten Jahre gut kennengelernt, sie ist eine gute Freundin und Klatsch- und Tratschpartnerin geworden. Wir hatten sogar einmal ein Doppeldate mit zwei MĂ€nnern aus der Firma. Aber das war fĂŒr mich kaum mehr als eine nette Ablenkung. Steffi hatte dadurch andererseits ihren aktuellen Freund kennengelernt. Ich drĂŒcke mit der HĂŒfte den TĂŒrgriff hinunter und trete ins BĂŒro meines Chefs ein. Die grauen Haare in den HĂ€nden, sieht er auf und mustert mich mit seinen braunen Augen. âIst der Kaffee endlich fertig?â
âJaâ, ich stelle ihn vor ihm ab. Er wendet sich mir zu, sieht mich mit diesen Augen an. Etwas HĂ€misches legt sich in seinen Blick. Er streckt seine Hand aus und fasst an meinen Hintern fasst. Der Bleistift, den ich ergreife, steckt in seinem Hals. Das war es was gefehlt hat, aber jetzt erinnere ich mich.
© Raphael Stompe 2023-04-18