Wellen

Amelie Lea Beck

von Amelie Lea Beck

Story

Heiß brennt sich die Sonne in meine Kopfhaut. Den Hut, abgenommen um im Wasser zu toben. Doch die sengenden Strahlen sind beinahe unerträglich. Mit einer schnellen Bewegung schlüpfe ich aus meinen Sandalen. Der Sand lässt meine Fußsohlen schmelzen, noch bevor ich auch nur einen Schritt auf das kühle Blau zugehen kann. Wenige Wimpernschläge später landet auch mein kindliches Sommerkleid im Standkorb meiner Mutter. Ich starre erneut auf den Horizont. Meine Füße habe ich in die Luft gehoben, um sie von den heißen Körnern fern zu halten. Noch eine halbe Ewigkeit verharre ich in dieser Position. Auch meine Brüder sind inzwischen in ihrer Badekleidung. Die engen französischen Hosen der Männer bringen mich zum Grinsen. Da ist mein Badeanzug mit schmalen Trägern wesentlich bequemer. Auch sie wollen nicht den ersten Schritt auf das unbekannte Meer zugehen. Schließlich fasse ich Mut. Ich nehme jedes Fünkchen Energie zusammen. Wenn ich noch schneller aufgesprungen wäre, hätte ich sicher einen Sandsturm der Stärke 2 verursacht. Während ich renne, spritzt der Sand zu allen Seiten von meinen Füßen ab. Noch 100 Schritte, bis ich endlich den kühlen Sand berühren kann. Noch 30…10…3…2. Erleichterung durchflutet mich wie die Wellen, die an den Strand gespült werden. Der Boden unter meinen Füßen hat eine angenehme Temperatur. Nicht eisig kalt, aber auch nicht die brennende Hitze vom Rest des Strandes. Ich atme genüsslich den Duft nach Salz und Sommer ein. Vorsichtig wage ich mich weiter in die undurchsichtige See vor. Mein Herzschlag pulsiert von der plötzlichen Anstrengung noch immer in meinen Ohren. Doch die ruhigen Wellen scheinen auch mein Blut mit sich zu bewegen, es in gleichmäßigen, sanften Bewegungen zu beruhigen. Ich wate weiter ins Wasser hinein. Sand wird um meine Zehen gespült, nur um mir wenige Sekunden später wieder entzogen zu werden. Immer wieder muss ich eine neue Balance finden, um dem stetigen Rhythmus des Meeres stand zu halten. Plötzlich greift eine große Hand, die meine. Ich hebe meinen Blick. Zu meiner Rechten steht mein Vater, der mich liebevoll anlächelt. Auch meine Brüder stoßen zu uns.

„Lasst uns etwas ausprobieren.“, flüstert er, seine Stimme so friedlich und tief wie der Ozean. Er führt uns an seiner Hand immer weiter ins Meer hinein, bis mir das Wasser bis zur Brust steht.

„Wenn eine Welle kommt, springen wir alle gemeinsam hoch. Aber nicht meine Hände loslassen.“ Wir nicken unseren Vater gespannt an. Mit hämmernden Herzen warten wir auf die nächste Welle. Wie aus dem nichts rast sie uns entgegen. Ein Ungetüm, das mich mindestens um einen Kopf überragt. Gerade als sie uns erreicht, springen wir vom Boden ab. Im ersten Augenblick fühle ich mich völlig frei, bis Panik mein kleines Herz erfasst, weil die Welle droht uns alle mitzureißen. Doch Papa landet als erster wieder im Sand. Ich umklammere seine Hand. Schließlich lande auch ich sanft wieder am Boden. Eine unbändige Freude erfüllt nun meinen ganzen Körper.

© Amelie Lea Beck 2022-05-25

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