Weltreise dank Schmerz

Ingrid Kölbl

von Ingrid Kölbl

Story

November 2016 – Insel Koh Tao – Thailand


»Ich glaube, das war die mit Abstand beschwerlichste Radtour, die ich je gemacht habe.«

So steht es in meinen Aufzeichnungen und ich muss Jahre später mehr als schmunzeln. Denn: Ich war nur drei Kilometer unterwegs. Also nicht der Rede wert. Nicht für jemanden der über ein Jahrzehnt tausende von Kilometer jährlich mit dem Rad gestrampelt ist, Wettkämpfe gefahren ist und erst recht steile Berge liebt. Auch die 230 Höhenmeter sind alles andere beeindruckend. Doch im November 2016 war ich am Kämpfen, und wie!

Mir rinnt an diesem heißen und schwülen Novembertag der Schweiß den Nacken hinab, meine Augen kämpfen gegen die salzigen Tropfen, die auf und neben der Lenkerstange landen. »Gasolina!«, rufe ich Zweien zu, die am Wegesrand wie auf der Insel üblich in Flaschen abgefüllten Benzin verkaufen wollen. An die Rollerfahrer, die sich in diesen Teil der Insel verirren. 

Ich selbst bin auf meinem Drahtesel ständig dabei, die Lenkerstange mehr oder weniger aufzufressen, so sehr muss ich aufpassen, nicht nach hinten wegzukippen. Ich bin weichgeschwitzt und mir ist es ganz egal, dass sich kurz vor dem letzten Abschnitt die Wasserpreise vervierfachen. Diese Pause am Wegesrand gönne ich mir, und kann sogar schon wieder in die Handykamera lächeln, als der Verkäufer von mir und seiner Frau ein Foto machen will. 

Abgekämpft und glücklich zugleich war ich damals: Die kurze Bergtour war meine erste Radausfahrt während meiner Weltreise, und auch die erste Ausfahrt nach vielen Monaten Sportpause. 

Grund: Rückenschmerzen. Doch ausgerechnet diesen Schmerzen verdanke ich meine Weltreise. Im Job ging nichts mehr. Ich war einfach nur platt. Erledigt. Kaputt. 

Lichtblick eins – Mein Antrag beim Arbeitgeber ging durch: 

»Ihr Sabbatjahr ist genehmigt!« 

Lichtblick zwei – Mein rigoroser Arzt 

Auch wenn ich mit meiner Weltreise offiziell noch etwas warten müsste, viele schmerzvolle Monate, tränenreiche Monate noch vergehen sollten, so war es mein damaliger Arzt, der mein Leben erfolgreich auf den Kopf gestellt hat mit seiner Sicht der Dinge: 

»Sie müssen jetzt nicht mehr funktionieren, ich nehme sie da raus! Sehen Sie sich doch an! So wie Sie hier vor mir stehen bzw. versuchen zu stehen, bleibt mir nichts anderes übrig. Sie brauchen Hilfe, Ihr Rücken braucht sie. Aber keine Sorge, wir bekommen das wieder hin!«

Er sollte recht behalten. Nach fast drei Jahren Rückenschmerzen konnte ich zumindest den Rucksack tragen, wenn ich vorsichtig genug war. Ein Jahr Auszeit! Und bei der Rückkehr? Ende gut, alles gut. 

© Ingrid Kölbl 2023-11-25

Genres
Reise, Lebenshilfe
Stimmung
Herausfordernd, Inspirierend, Reflektierend
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