Wenn der Mief herrlich duftet

Christine Mayr

von Christine Mayr

Story

Mein Kater und ich haben eine alltägliche Routine. Ich lege mich nach dem Essen auf die Ottomane, er sich auf meinen Bauch. So ruhen wir, bis einer von uns genug hat. Gestern war es anders. Er grub seine Nase höchst interessiert in meine Achselhöhle und rollte sich so, wohlig schnurrend, ein. Da wusste ich: Es ist Zeit.

Über die Jahre meiner Geruchsblindheit, Nasentaubheit oder wie immer man das nennt, was das Riechorgan hat, wenn es weder auf Düfte noch auf den ärgsten Gestank reagiert, habe ich einige Marotten entwickelt, die die Welt davor bewahren sollen, von mir mit schlechten Gerüchen belästigt zu werden. Ich habe ja schließlich nicht immer wen bei der Hand, den ich fragen kann, ob ich/mein Gewand/die Wohnung mieft oder gar stinkt. Was anscheinend der Fall war, als mein Kater in die Markierjahre kam. Noch bevor ich die Spuren seiner Sprühaktionen an Tisch- und Stuhlbeinen sah, rümpfte die Nachbarin ihre Nase und sagte, bei dir riecht es nach Katze. Ich wusste, was zu tun war.

Das wusste ich auch, als mein Lieblingsfreund zu mir sagte, ich sollte wieder einmal duschen, ich würde schon stinken. Seither dusche ich vorsorglich jeden Tag, manchmal auch zweimal, laut Auskunft anderer Freunde eine gängige Praxis unter zivilisierten Europäern. Ich wechsle täglich T-Shirt und Socken, bei den Unterhosen war das nie eine Frage. Obwohl ich, wie ich zugeben muss, es immer ein bisschen bedaure, wenn das Leiberl, das ich so liebe, schon nach einmal tragen in die Wäsche muss, ohne dass es sichtbaren Schmutz mit sich herumträgt. Ich hänge Pullover über Nacht zum Lüften ins Freie, wenn ich bei der Chinesin essen war, wo es, wie feine Nasen behaupten, nach Küche rieche. Ich reiße die Fenster auf, bevor Besuch kommt, denn was weiß ich, welches Gestinke sich in einer Wohnung breitmachen kann, wenn dort jemand kocht.

Manchmal stellt sich allerdings der Schlendrian ein. Wozu ein frisches Shirt anziehen, wenn ich eh nur zuhause rumhänge, warum das Jäckchen waschen, wenn ich keinen Menschen treffe? Als ich Kind war, kamen Kleider erst dann zur Schmutzwäsche, wenn sie tatsächlich schmutzig waren. Alles andere wäre Verschwendung gewesen. Und Verschwendung ist jetzt wieder dabei, aus der Mode zu kommen. Der Zeitgeist ruft danach, ihr keinen Platz mehr einzuräumen, Energie- und Wassersparen sind wiederentdeckte Tugenden. Wenn ich meine Leiberln eine Woche lang trage, helfe ich der Umwelt, nicht? Weniger oft waschen – weniger Chemie im Abwasser.

Doch wenn mein Kater seine Schnauze in meine Achselhöhle bohrt und dieses glückliche Schnurren ertönt, bekomme ich Zweifel. Vielleicht ist das, was für eine Katze herrlich duftet, für Menschen ein Mief, denen ich ihnen nicht zumuten sollte. Spätestens dann weiß ich: Es ist Zeit, dem Schlendrian Einhalt zu gebieten, auf Umweltschutz zu pfeifen und mein Gewand in die Waschmaschine zu stecken. Danke, Katerchen, du Stinkometer!


© Christine Mayr 2024-12-18

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Komisch