Wenn der Postmann zweimal klingelt

MISERANDVS

von MISERANDVS

Story

“Na, wie geht’s?”, frage ich meinen Postler, als der mir ein Packerl in die Hand drückt, leicht außer Puste. Ich mag ihn gern, er ist immer freundlich. Und ich beneide ihn um seine Energie. Für diesen Scheiß-Job muss man wirklich Leidenschaft haben. Er grinst und nickt und meint, es ginge gut. Viel los und so. Wir tauschen. Packerl gegen zwei Euro Gage. Er freut sich.

Als ich noch überleg, was da wohl drinnen ist, weil Amazon erst morgen kommt, les ich: Frau Muttern ist die Täterin. Ich öffne, und ich rieche, und ich staune. Ein ganzes Kisterl voller Eierschwammerln. “Pfifferlinge” für meine deutschen Leser, die sich beharrlich weigern, endlich richtig Deutsch zu lernen, um meine Sprache zu verstehen! Und ein paar Worte, handgeschrieben, und die Erinnerung: “Nicht alles auf einmal!”

Ich greif zum Hallophon. “Lieb‘ Muttern!” Ich höre Mutti grinsen. “Ist es schon da?” “Ja ja, ja ja!” Und Mutti freut sich über meine Freude. “Ich dachte, du wolltest nimmer in den Wald, wo du dir gestern noch beinah die Gräten hast gebrochen, das Knie zerschunden ist.” “Ich hab ja gestern nicht alles geschafft. Es waren so viele. Da musste ich noch den Rest plündern. Sonst holt’s der Italiener weg!” Jaja, der Italiener, der üble Plünderant, der uns die Schwammerln fladert!

Wie ich sie machen werd, will Mutti wissen. “Naja, ein schnelles Amuse-Gueule, geröstet halt mit Hühner-Schalenfrucht, den Rest als Gulasch und dazu einen Knödel oder zwei.” “Hast du denn Sauerrahm daheim?”, will Mutti wissen, das Kochrezept im Kopf. “Na sicher, noch vom letzten Mal, als Schwammerln kamen.” Mutti überlegt. “Das war im Herbst!”, raunt sie. “Nu ja.” “Der ist ein Jahr alt!” “Na und? Mutter, es ist Sauerrahm. Was soll da sein? Dass er sauer wird?“ Mutti lacht, will wissen, wieso ich immer so altes Zeug esse. “Was nicht verdorben ist, ist auch verträglich!”, klär ich auf, und Mutti wird belehrt, dass sie mit ihren jungen Jahren keinen Sinn hat für den Wert des Essens. “Du hast den Krieg nicht mitgemacht!”, sag ich mit deutungsschwerer Stimme!“ Und Mutti lacht für lange Augenblicke: “Was für ein Krieg denn, du Dummkopf?” Und ich grüble, denke: Ja, die Kriege waren wirklich überschaubar hier seit 1975, als sie und ich, wir, uns zum ersten Male in die Augen sahen. “Na, jeden Krieg!”, sag ich entwaffnend logisch, und wieder lacht sie.

Ich schweige eine Weile, bin berührt, weil mir schon klar ist, dass sie nur für mich den dunklen Wald erneut begangen hat, und hochbetagt, mit wehem Knie noch einmal “Pilze pflücken” war, wie es der Piefke schmerzlich falsch benennt. Und nun wird sie zwei Tage lang darniederliegen, weil der Rücken schmerzt. Ich möchte heulen. Meine Mutti!

Ob sie mich leise schniefen hört, ob sie es spürt, wer weiß! Sie sagt: “Mir wird das Ohr schon warm. Quatsch nicht so lange.” Ich lache laut und sage leis: “Ich hab dich lieb, Mutti!” Und sie sagt: “Ich dich auch, Knauzi! Und guten Appetit.”

Kurz drauf bin ich zufrieden satt. Der Papagallo aus dem Süden bleibt hungrig. Ätsch!

© MISERANDVS 2021-08-25

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