Wenn der Sensemann winkt!

Tanja Gitta Sattler

von Tanja Gitta Sattler

Story

Einige Male bin ich nur knapp am Sensemann vorbeigepest. Er erwischt dich ohnehin – nichts ist sicherer als das! Doch solange Klappe und Klappern funktionieren (Herz, Mund, Füße und Kastagnetten – Gebiss trage ich noch keins) will ich im Diesseits gern verweilen. Von drei dieser Klingensprünge möchte ich euch heute erzählen:

– Die Autogrube in der Garage ist freigelegt. Ich bin 2 Jahre alt, jumpe fröhlich im Hof herum. Opa steigt in seinen Plastikbomber und ruft: “Geh weg, ich fahr rückwärts!” Klein-Tanja rennt los, fällt kopfüber in die Betongrube hinein. Kurz wird alles kalt und weiß. Dann liege ich auf dem Rücken, sehe die entsetzten Gesichter meiner Großeltern über den Rand lugen. Außer einer Beule ist nichts passiert.

– Papa musste zwecks Kabelverlegung ein Loch bohren. Das Elternhaus ist massiv, der Bohrer war so lang wie sein Unterarm. “Geh auf die andere Seite und schau, ob du was siehst. Irgendwie klemmts!“ Ich will nichts übersehen und positioniere meine Augen 1 cm vor dem aufgemalten Kreuz an der Wand. Papa beginnt zu bohren. Da ruft die Mama: “TANJA!” Ich fahre hoch, der Bohrer schießt aus der Wand. Gute 20 cm – hätte ausgereicht!

– Drei Uhr Nachts. Wir waren tanzen, ich habe meine Freundin heimgefahren und wollte nachhause. An der Kreuzung bleibt ein Capri neben mir stehen. Scheiben unten, Endstufe am Anschlag, zwei riesige Typen hängen sich grölend aus den Fenstern und machen mich an. Der Fahrer lässt den Motor röhren, sie fühlen sich megageil und sind es auch. Leider nicht im positiven Sinne. Obszönitäten und lauwarmes Bier spritzen mir ins Gesicht. Schnell leiere ich die Scheibe hoch und drücke aufs Knöpfchen. Keine Sekunde zu früh! Der hünenhafte Beifahrer versucht meine Tür aufzureißen. Brutal schlägt er gegen die Scheibe. Die anderen brüllen: “Die kriegen wir, die F … das wird ein Spaß!”

Todesangst, Adrenalin schießt ein, ich geb Gas, rase über die rote Ampel. Sie setzen mir nach. Heute frage ich mich, warum ich nicht laut hupend vor die Polizeistation gefahren bin (Handys gab es noch nicht), doch ich wollte bloß heim. Der Capri war schneller, Mamas kleiner Talbot dafür wendig. Immer wieder konnte ich ausweichen. Sie fuhren parallel, begannen mit Bierflaschen zu werfen und beschimpften mich aufs Übelste.

Unsere Straße kam in Sicht. Ich stieß rückwärts in den Hof. Sie hielten vor dem Haus, dachten wohl, ich laufe zur Haustür vor. Das war meine Chance! Ohne Licht zu machen, hetzte ich in die letzte Garage und tastete nach dem dort versteckten Schlüssel für die Hintertür. Da hörte ich Stimmen im Hof, sie suchten nach mir. Nach vielen Versuchen traf ich endlich das Schlüsselloch, als auch schon der erste um die Ecke bog und “ich hab sie!” johlte. Zack war ich drin und starrte wie hypnotisiert auf die sich bewegende Klinke. Anscheinend schrie ich wie am Spieß. Mein Vater kam: “Was machst du für ein Lärm?” Die Männer waren fort, jedoch, die Erinnerung blieb.

Mehr geht nicht hin, aber ganz ehrlich? Genug Flashbacks für heute!

© Tanja Gitta Sattler 2021-05-11

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