Wenn die Gondeln Trauer tragen

Eva Filice

von Eva Filice

Story
Venedig 2025

Die schwarzen Gondeln prägen das Stadtbild Venedigs. Der Bau der venezianischen Gondeln mit ihrer asymmetrischen Form ist eine wahre Kunst. Die linke Seite ist um 24 cm breiter als die rechte. Das ist der Grund, warum das Boot leicht nach Steuerbord zieht. Der lange und schmale Rumpf ist 11 m lang und höchstens 1,5 m breit. Nur der Teil in der Mitte der Gondel tritt mit dem Wasser in Berührung, daher ist der Wasserwiderstand auf ein Minimum reduziert. Der Gondoliere steht elegant mit einem Bein nach vorne auf dem Heck und korrigiert gekonnt mit dem Ruder die Fahrtrichtung. Der schwarze Lack, aus geheimer Rezeptur bestehend, wird in sieben Schichten als Schutz aufgetragen. Am Bug der Gondel befindet sich der Ferro (früher auch Delfino genannt). Der Oberteil symbolisiert die Dogenkappe (den Corno), die sechs Sporne auf der Vorderseite weisen auf die sechs Sestieri (Stadtteile) Venedigs hin. Der nach hinten zeigende Sporn steht für die Insel Giudecca.

Im 16. Jahrhundert war die Gondel das Fortbewegungsmittel Nummer 1 auf Venedigs Kanälen. 10.000 Gondeln dienten damals nicht nur dem Transport, sondern stellten auch ein Statussymbol für reiche Venezianer dar. Mit Vergoldungen, mit Sitzen aus Brokat oder Seide und mit bunten Bemalungen uferte die Prunksucht der Venezianer aus. Um dem Einhalt zu gebieten, verordnete der Doge 1562 den Einheitslack in Schwarz. Der Rückschluss, dass die schwarzen Gondeln mit Trauer in Verbindung zu bringen wären, trifft auf keinen Fall zu.

Der Film von 1973 „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ basiert auf einer Erzählung von Daphne du Maurier. Venedig bildet den Hintergrund der Handlung des Horrorfilms des britischen Regisseurs Nicolas Roeg. Das Thema von übersinnlichen Wahrnehmungen in Verbindung mit Venedig gefiel den Einheimischen nicht. Sie befürchteten, dass der Film Tourist:innen abschrecken würde.

Heute sind noch ungefähr 500 Gondeln auf Venedigs Wasserstraßen unterwegs. Sie dienen den zahlreichen Touristen, die sich durch die Lagunenstadt gondeln lassen. Die Einheimischen nutzen meist Motorboote. In Venedig gibt es an einem Kanal gelegen noch eine Gondelwerft, Squero genannt. Die älteste Gondelwerft, der Squero San Tomaso, stammt auf dem 17. Jh. In den hölzernen Baracken konnte auch im Winter gearbeitet

Viele Schriftsteller und Maler waren fasziniert von der Ausstrahlung Venedigs. Thomas Mann beschreibt in seiner Novelle „Tod in Venedig“ die Zuneigung eines alternden Mannes zu einem Jüngling. Thomas Mann bezeichnete seine Novelle, die in Venedig spiet, als „Tragödie einer Entwürdigung“. Francesco Petrarca (er lebte im 14. Jh.) betrachtete Venedig als den „einzigen Hort der Freiheit, des Friedens und der Gerechtigkeit.“ Lord Byron hielt sich Anfang des 19. Jh. im literarischen Salon der Contessa Quermini Benzon auf. Bewundernd beschreibt er die Palazzi: „Die Gebäude zu beiden Seiten des Kanals erinnern an eine Landschaft, die ihre Werke mit menschlicher Vorstellungskraft schuf.“ Johann Wolfgang von Goethe unternahm sogar auf seiner Italienischen Reise eine Fahrt mit einer Gondel, um zu erfahren „wie jeder Venezianer fühlt, wenn er sich in seine Gondel legt.“

© Eva Filice 2025-02-14

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