Wenn die Polizei anruft …

Story

Wir haben noch einen Festnetzanschluss und stehen im gedruckten Telefonbuch. Mein Mann trägt einen altmodischen Vornamen, hat dazu einige Titel und wir wohnen an einer sehr guten Adresse. Daraus ziehen manche lieben Zeitgenossen den Schluss: alt, reich und blöd. Und halten uns deshalb für die geborenen Opfer von kriminellen Machenschaften.

Einmal nahm mein Mann einen Anruf entgegen, in dem ihn ein freundlicher Inspektor darüber informierte, dass unsere Tochter einen Unfall gehabt hätte und … Der Rest ist aus vielen Beiträgen in Zeitungen, Fernsehen etc. bekannt. Wir haben aber gar keine Tochter. Mein Mann legte einfach auf.

Vor einiger Zeit war ich abends allein daheim und nahm das Festnetztelefon ab, als es läutete. Ich sagte nur “Hallo”. Es meldete sich eine angenehme Männerstimme mittleren Alters, mit einem leichten Akzent und in perfektem Deutsch, wie ich im Laufe des Gesprächs feststellte. “Polizeiinspektion” hörte ich und dann folgte irgendein unverständliches Gemurmel. Da passte ich auch noch nicht so genau auf. Ob er mir ein paar Fragen stellen dürfe. Brav sagte ich ja, aber insgeheim kam mir das schon merkwürdig vor. Ich schöpfte den ersten Verdacht.

Der “Polizist” informierte mich zunächst darüber, dass man mittags zwei Männer bei einem Einbruchsversuch ganz in unserer Nähe festgenommen hatte. Er nannte sogar einen Straßennamen. Ob ich davon schon gehört hatte? Ich antwortete einsilbig mit Nein. Ob ich heute irgendetwas Verdächtiges bemerkt hatte? Wieder sagte ich nur nein. Ob mir Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen aufgefallen waren? Wieder kam nur ein Nein von mir.

Er hatte es nicht leicht mit mir, seine Pausen nach meinen Neins wurden immer länger. Ich war mir mittlerweile schon ziemlich sicher, dass das ein Betrugsversuch war.

Dann sagte er mir noch, dass man bei den Einbrechern einen Zettel mit Namen und Adressen gefunden hätte, wo auch wir darunter seien. Ob ich wisse, wie wir auf die Liste kommen. Noch ein einsilbiges Nein von meiner Seite. Ab da war ich mir absolut sicher! Und ich ging in die Offensive.

Und da wollen Sie jetzt herkommen und meinen Schmuck abholen, damit er in Sicherheit ist, sagte ich. Ganz ruhig und freundlich. Die Pause danach dauerte einige Sekunden, in denen er – nun ja, wie kann man es bezeichnen? – “umdachte”.

Er fragte mich tatsächlich, ab wann ich “es” bemerkt hätte. Ich sagte: Eigentlich sofort. Aber die Masche sei doch an sich gut gewesen, meinte er. Na ja, sagte ich, wohl nicht wirklich. Man habe davon ja schon gehört.

Ich solle ihm sagen, ob ich auch draufgekommen wäre, wenn ich es nicht in der Zeitung gelesen hätte. Ich sagte, das sei schwer zu sagen, aber vermutlich schon. Ich blieb weiter ruhig und freundlich und richtete mich auf ein Plauderstündchen ein, aber die Pause wurde immer länger. Und plötzlich brummte er etwas und legte auf.

Schade. Ich wollte ihn doch auf einen Kaffee einladen und ihm meine gesamten Juwelen zeigen. Aber wenn er gleich die Nerven wegschmeißt …

© 2022-11-01