von Rosaria Helfer
Was war das heute fĂĽr ein besonderer Tag bei der Arbeit. Ich hatte dir versprochen, dass ich mir heute mehr Zeit fĂĽr dich nehmen kann, da ich zusätzlich eingeteilt bin. Ich klopfe an deine ZimmertĂĽr, öffne sie vorsichtig und rufe deinen Namen “Johanna, ich bin’s”. Was fĂĽr ein glĂĽckliches Lächeln strahlt mir entgegen “Rosaria, du bist wirklich gekommen”. Wir umarmen uns, ich die Maske oben, rede dafĂĽr umso lauter, damit du mich gut verstehen kannst. Du schmiegst dich an mich, es fehlen dir eindeutig die Umarmungen deiner Kinder. Jetzt bin ich da und die Zeit scheint still zu stehen, die nächsten Minuten bedarf es keiner Worte, einfach nur da sein und spĂĽren, dass du nicht allein bist.
Wir lösen uns von der Umarmung und du bietest mir voller Stolz einen leckeren selbst gemachten Eierlikör deiner Tochter an – wow, der ist wirklich gut. Wir sitzen da, halten uns die Hände und zwischendurch prosten wir uns schelmisch zu. Pure Freude spiegelt sich in unseren Augen. Nicht die von auĂźen uns zugedachten Rollen – ich Pflegekraft, du Bewohnerin – trägt diese Gesprächsatmosphäre. Wir sitzen da, wie zwei verloren geglaubte Seelenverwandte. Deine Worte waren “WeiĂźt du Rosaria, wir kennen uns nicht mal so lange und doch habe ich dieses besondere GefĂĽhl, wenn du in meiner Nähe bist.” Ich bin einfach nur berĂĽhrt. Stolz erzählst du mir von deinen wundervollen Kindern – während den Erzählungen scheint dein Herz vor Freude zu springen. Ich verspreche dir Johanna, bald – bald dĂĽrfen sie wieder zu Besuch kommen – halte durch. Wir gehen gemeinsam zu deiner BalkontĂĽr und beobachten kindlich vergnĂĽgt, Arm in Arm, dieses faszinierende Tanzspiel der Schneeflocken.
Leise rieselt der Schnee … still und starr ruht der See … und schon stimmst du mit ein. Zwei Frauen an einer Balkontür, Arm in Arm singend …. die Zeit bleibt ein zweites Mal stehen.
So stehen wir nun da und dann beginnt deine kleine Geschichte von deinem Hausfreund. Ich schaue dich ein wenig irritiert an, ja dein Hausfreund Lui – das Eichhörnchen. Lui ist schon ein Weilchen ein regelmäßiger Gast im Garten vor dir. Du ĂĽberlegst dir, wie du ihm deine gesammelten NĂĽsse zukommen lassen kannst. schmiedest Pläne und ich höre dir zu und freue mich an deinen Erzählungen. Freue mich einfach daran, dass ich deine bezaubernde Geschichte hören darf, wie du mit deinem Fernglas deinen kleinen Freund beobachtest und mit ihm Gespräche fĂĽhrst.
“Weißt du Rosaria” .. liebevoll schaust du mich an, „Ich erfreue mich eben an den kleinen Dingen im Leben, denn den großen Kummer kann und will ich nicht ständig bei mir tragen. Ich freue mich, wenn Lui mich zwischendurch besuchen kommt.”
Danke Johanna, danke Lui – ihr habt mir in dieser halben Stunde – einmal mehr die Weisheit eines glĂĽcklichen Lebens geschenkt.
Danke, dass ich das machen darf, was ich mache.
Photo by Alexas Fotos/ Unsplash
© Rosaria Helfer 2021-12-08