von MISERANDVS
Als wir so daliegen, sie und ich, lege ich meine Hand auf ihren Unterbauch. Ich spüre die sanften, winzigen Bewegungen, die ihre Lenden augenblicklich vollführen. Sobald ich sie berühre, reagiert ihr schöner Leib augenblicklich mit Lust darauf. Manchmal denke ich, es ist unmöglich für mich, sie “einfach so” zu berühren. Der Hauch von Fingerspitzen in ihrem Nacken, und sie macht “Hui!”, und Gänsehaut läuft ihr über den Rücken, es kribbelt bis in die Zehen. “Zauberhände” nennt sie meine tapsigen Flossen. Es sei nichts Magisches an ihnen, schwöre ich Stein und Bein. Sie meint, es besser zu wissen.
Auch nun, da meine Hand auf ihrem Bauch liegt, die Fingerspitzen auf ihrem Venushügel, und sie sich nur so viel bewegt, wie es ein Atemzug bedingt, schiebt sich ihr Körper augenblicklich gegen meine Hand, um noch ein wenig mehr von dieser Berührung zu erhaschen. Auch, wenn ich die Augen geschlossen habe, spüre ich: Sie lächelt.
Langsam atme ich. Immer langsamer, und sie passt sich meinem Atemrhythmus an, als sie versteht: Meine Intention ist nicht Lust ist, sondern ein wenig Heilung. Es dauert nur wenige Minuten, und sie spürt die Wärme, die aus meiner riesigen Pranke in ihren zierlichen Körper fließt und ihn erfüllt. Eigentlich möchte ich nur ein wenig Linderung bringen, das Brennen von ihr nehmen, das sie wieder quält. Eigentlich…
Ihre Hände beginnen zu zucken, dann ihre Füße, und aus dem Zucken wird ein Zittern. Ihr Körper spricht so intensiv wie nie auf meine Berührung an. Sanft erhöhe ich den Druck auf ihre Leibesmitte, schicke ein bisschen mehr Kraft in sie. Schluchzend bricht sie in Tränen aus, ihr Leib bäumt sich schier auf. Sie klammert sich an meinen Arm, ringt um Atem, und da nehm ich den Druck von ihr, streiche mit der flachen Hand langsam über ihren Bauch. “Ich bin bei dir.”, sage ich leise immer wieder: “Hör auf meine Stimme, nicht auf deinen Kopf. Ich bin da. Hörst du? Komm zu mir. Hier kann dir nichts geschehen.”
Eine weite Reise hat sie gemacht, weit zurück in ihr Leben. An einen Ort, in eine Zeit, die sie kaum mit mir teilen kann, weil ihr die Erinnerungen so weh tun, weil die Bilder so schmerzlich sind. Sie sind so schmerzhaft, dass meine Hand kribbelt, als hätte ich an Strom gefasst, und mein Arm brennt wie Feuer. Langsam und leise und schniefend fasst sie ihre Bilder in Worte, während ich ihre Tränen wegwische und sie in ihre Worte hin und wieder küsse.
Vieles hat sich unerwartet bildlich manifestiert, ungeplant gelöst. Was sie damit macht, verstehe ich nicht, obschon sie es mir so oft erklärt. Das ist nicht meine Welt. Ich bin ein schlichter Mensch. Mein Geist ist träge. Meine Hände sind ganz passabel darin, Lust zu schenken. Sie sind ganz wunderbar darin, Schmerzen zu nehmen. In beidem sind sie ziemlich ungeschickt und wenig zielgenau.
Ich wollt ihr eigentlich Gutes tun. Eigentlich. Und nun heult sie. “Danke.”, sagt sie: “Dass du für mich da bist, bei mir bist. Du tust mir so viel Gutes.”
Und ich flüstere – wie immer: “Ich mach doch gar nix.”
© MISERANDVS 2022-02-27