von Franziska Krug
Mir ist das manchmal egal, wo ich meinen Rucksack lagere, um mich am Rad einzurichten. Heute spüre ich, dass hinter mir jemand steht und ahne, dass es mit dem Gepäckträger zu tun hat, der mir fremd, aber äußerst hilfreich dient. Normal hab ich das andere Rad dabei, aber heute bin ich schnellen Reifens, habe nur Minuten zu verlieren, Stunden schon lange nicht mehr, fein.Die Zwei Männer hinter mir lächeln nett und ich sage:“ja, typisch, das ist Gesetz.”Was ich damit meine, weil die beiden, spürbar, auf Gespräche ans Knie zu nageln aus sind,“Wenn dann einer kommt”, sage ich, “dann ist es DER.“Beide lachen, die haben es genau gecheckt, weil es eben das Rad des Schlanken ist, worüber sich der Dickere gleich hermacht. Ja und wo ich herkomme,“Deutsche bist du”, sagt er, zum Studieren bin ich noch nie hier gewesen, aber das muss ich mit den acht Jahren Österreich nicht heute noch den Leuten auf die Nase binden. Was ich aber auf die Nase binden muss, ist meine Liebe zu diesem Land, Betonung liegt auf“Deutschland ist wirklich nicht mein Land”und das liegt nicht an der Politik oder meiner Pubertät, denn die Rebellion hat mich verjagt aus meinem Heimatland, das nun dies nicht mehr ist. Der Schlanke freut sich, weil Österreich mein Lieblingsland ist und strahlt, ja weil ich ebenso strahle und er fragt, wohin ich gehe und was ich tue und der Dickere bricht ganz wie Streichhölzer das Schloß des Schlankeren Rades auf. Ich frage, was sie heute noch so machen,“Schlösser knacken“ und lachen, wir drei. Wohl nix anderes als nach Hause fahren, so wie ich es ihnen vorgebe, „weil es sich so gehört“ und wundere mich, was ich überhaupt sage und das liegt daran, weil man ja früher gemeinsam ein Bier getrunken hätte, auch mit Fremden, als ich noch kein Zuhause hatte und der nächste Morgen so aussah wie“hackedicht und mein Rad nicht mehr gefunden. Jetzt hat mein Kollege hier heute jemanden mit meinem Rad gesehen, das blaue Gestell mit dem hässlichen Computer vorn dran” und“Das ist doch das Rad von ihm!”
und jetzt düsen wir dahin, aus unseren Hinterköpfen zwirbeln wie Rauchschwaden Gedanken über uns, sich erinnernd an eine Zeit, als wir noch jung waren und heute entweder wieder so leben wollen wie vor der Pandemie oder es ändern wollen, weil irgendwie doch nichts mehr so ist, wie es davor war.
Der Schlanke schaut zu Boden, ganz entzückt vom Oben meiner Gestalt und findet unten die kuhbefleckten Lederschuhe, die seien toll,“ich liebe sie. Die hat mir mein Mann aus der Türkei mitgebracht”,“Ah dein Mann, der hat aber einen guten Geschmack” und jetzt erst, höre ich sein Kompliment in Worten, was ich in Augenblicken sah und Schweigen spürte. Ich blase die Schwaden von meinem Kopf ab, aus dem Schlafzimmerfenster heraus, wo sie sich mit der Ferne zu Erinnerungen vermengen als Partikel der Welt, die uns alle zusammen hält. Der letzte Gedanke, der mich lässt diese kleine Episode in die Realität rüberschwappen, ist “Die beiden mussten gedacht haben, mich auf frischer Tat zu ertappen.”
© Franziska Krug 2021-03-23