Wenn es am schönsten ist, soll man gehen

Anna-Lea Bentke

von Anna-Lea Bentke

Story

Wenn meine Kollegin Sarah von ihrem Mann erzählt, kann ich nicht leugnen, dass ich eine hoffnungslose Romantikerin bin und mir auch einen Prinzen wünsche.

Dicke Sträuße aus Narzissen, die beim Nachhausekommen auf einen warten, herzförmige Klebezettel mit frechen Sprüchen am Badezimmerspiegel, jemand, der mit meinem Armband spielt, während wir uns unterhalten. Oder einfach nur die schusseligen Geschichten zu hören, davon wie er, als er sich einen Hausschlüssel nachmachen ließ, er versehentlich einen rosa Motivschlüssel mit Zebramuster kaufte. Genau das will ich auch! Es erinnert mich daran, dass es auch gute Männer gibt.

Ich kämpfe für mein zukünftiges Glück, was nicht heißt, dass ich es nicht hasse, stundenlang durch Datingapps zu swipen und auf tausend miese Dates zu gehen, nur um mit etwas Glück einen magischen Moment zu erleben.

Aber für diesen Moment hat es sich gelohnt. Einem Mann gegenüber zu sitzen mit geraden weißen Zähnen und frisch rasiert, er trägt sogar ein sauber gebügeltes Hemd. Die Unterhaltung fließt, wie von selbst, von einem Thema zum Nächsten. Mir wird klar, wir haben eine Verbindung. Er hält die ganze Zeit meine Hand, seine Finger ruhen auf meinem Ring und fangen abwesend an, mit ihm zu spielen, als er von seinen Träumen erzählt. Wir bauen Luftschlösser und planen Reisen an Orte, die wir schon immer besuchen wollten. Irgendwann kommt ein Kellner auf uns zu und weist uns darauf hin, dass sie bald schließen. Er zahlt für unser Essen.

Ich kann nicht anders, als noch ein bisschen in der Euphorie des Kennenlernens zu schwimmen und ihn zu mir einzuladen. Ich höre die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf, die mich mahnend darauf hinweist, dass man gehen soll, wenn es am schönsten ist. Aber wir sind zu perfekt, dieser Abend ist zu perfekt, um ihn zu beenden. Mein Herz droht zu explodieren, als er lächelt und raunend meine Einladung annimmt.

Kichernd und taumelnd, wie Teenager gehen wir Arm in Arm zu seinem Auto durch die Stadt, die immernoch lebendig blinkt und leuchtet. Sie ist, wie wir, noch nicht bereit, den Abend ruhen zu lassen. Die Leuchtreklamen von dutzenden Geschäften spiegeln sich in seinen Kaffeebraunen Augen. Es ist das schönste, was ich je gesehen habe.

Ich bin mir sicher, dass heute Abend der Anfang unserer Unendlichkeit ist, doch ich stocke, als wir an seinem Auto ankommen. Ich merke, wie mein Herz kurz aussetzt und alle Farbe aus meinem Gesicht weicht. Das kann kein Zufall sein. Ich bin nicht länger von meinen Gefühlen betrunken und lande auf dem Boden der Tatsachen, denn ich sehe etwas in seiner Hand glänzen, beschienen von vorbeifahrenden Taxis und den wechselnden Ampellichtern. Ein Schlüsselbund, an dem, neben einem Autoschlüssel auch ein Schlüssel mit rosa Zebramuster hängt.

© Anna-Lea Bentke 2022-04-16

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