denke ich an meine Mutter. Sie war eine warme Frau und eine Frau, die die Wärme liebte.
Ihre größte Sorge galt nicht dem Essen, oder der Gesundheit – nein, sie galt dem Holz für den Ofen. Wenn vor Wintereinbruch nicht alle Holzstapel voll waren, fand sie keine Ruhe und setzte alle Hebel in Bewegung, noch von irgend einem Bauern Holz geliefert zu bekommen. Sie hackte selber die dicken Stöcke in handliche Scheiter, liente sie zu kunstvollen Stapeln und trug sie nach und nach im großen Buckelkorb in die Stube hinter den Ofen. Zum Feuermachen verwendete sie das angefallene Sagmehl getränkt in Petroleum. Das Petroleum holten wir in einem Kanister beim Krämer. Im Laden stand ein hohes Glasgefäß, wie ein Zylinder. Durch eine Pumpe wurde das Öl aus dem Keller in diesen Behälter gepumpt und dann literweise durch einen Hahn in den Kanister gefüllt.
Zum Anheizen brauchte es auch noch Spreißel. Dafür wurde kleineres Lattenholz mit einem Messer in möglichst schmale Späne gesplittet. Das machten wir schon als kleine Kinder. Wo bleibt da: Messer, Gabel, Scher und Licht, sind für kleine Kinder nicht? Aber da war man nicht zimperlich. Wir lernten früh, mit gefährlichen Dingen umzugehen.
Dieser alte honigfarbene Kachelofen und Mami gehörten zusammen. Natürlich auch der Feuerherd in der Küche. Wenn es in der Früh noch überall kalt war, setzte ich mich zusammengekauert auf das Grandl des angeheizten Herds und wärmte meine Anziehsachen auf.
Mein Vater schimpfte oft, wenn Mami allzu verschwenderisch – nach seiner Meinung – einheizte, aber das ließ sie sich nicht nehmen. Angeblich bin ich im kältesten Jänner des Jahrzehnts in der ungeheizten Kammer zur Welt gekommen und wäre fast erfroren. Das erklärt vielleicht, warum mir Wärme auch so wichtig ist.
Das Attribut warm passt zu niemandem so gut, wie zu meiner Mutter. Bei ihr fühlten sich alle Besucher wohl – und es waren viele. Sie hatte für alle ein Schnapsl und ein offenes Ohr. Nie habe ich sie über jemanden schlecht reden gehört oder Gerüchte und Tratsch verbreiten. Das waren nicht immer nur angesehene Leute, sondern mitunter auch verkrachte Existenzen, was meinem Vater nicht gefiel (mir damals leider auch nicht. Heute sehe ich das als besondere soziale Kompetenz).
Meine Mutter hatte auch ganz verschiedene Freundinnen – ob reich oder arm, ob Bäuerin oder Sägewerksbesitzerin, ob Studierte oder nicht – sie verhielt sich zu allen gleich. Auch eine Baronin aus Hamburg gehörte dazu, die bis zu ihrem Tod in unserem Haus Urlaub machte. Mami war auch einigemale in Hamburg, sie dort zu besuchen.
Viele dieser Leute waren ihr Fenster zur Welt, zu Unabhängigkeit, Ausflüge und Reisen. Sie hatte ja selbst kein Geld und wurde gerne eingeladen. In den beginnenden Fremdensaisonen arbeitete sie eine Zeitlang als Zimmerfrau, aber das hielt ihre Gesundheit nicht lange aus.
Wir haben unsere Mutter im Alter sehr verehrt und uns liebevoll um sie gekümmert. Dafür bin ich sehr dankbar. Sie war ein ganz besonderer Mensch!
© Christine Sollerer-Schnaiter 2021-01-17