Wenn Kaulquappen rückwärts schwimmen

G.F. Stöger

von G.F. Stöger

Story

Die Tierliebe meiner Tochter ist unermesslich. Selbst verletzte Feuerwanzen und Kellerasseln versucht sie zu retten und verarztet sie. Im Kindergarten ward dafür sogar einmal ein Krankenhaus für die Krabbeltierchen gebaut worden.

Sie kann gefühlte Stunden Tiere beobachten. Schnecken lässt sie über ihre Hand kriechen, begleitet von freudigen Kommentaren, wenn diese an der Haut raspeln und kitzeln.

Fünf Gehminuten von unserem Haus ist ein naturbelassenes Hochwasserausgleichsbecken. Beschilft und verstraucht ein Paradies für Libellen und Frösche. Die Schutzfunktion musste es glücklicherweise bislang nie ausleben.

Jährlich im Frühjahr sammeln sich dort geborene Frösche Laich abzulegen, um für den Fortbestand der Familie zu sorgen.

Jährlich besuchen wir öfters als üblich zu dieser Jahreszeit jenes wunderbare Fleckchen, um diesen Vorgang sowie das Wachstum der Lebewesen zu beobachten.

Letztes Jahr hatte es das Töchterlein tatsächlich geschafft, ein paar Kaulquappen in die Regenwasser gefüllte Betonmischwanne zu schmuggeln, um uns scheinbar überrascht zu erklären, Frösche hätten im Garten einen Laich abgelegt. Erst als die samenähnelnden Schwimmtierchen bereits Beine hatten, gestand sie ihre Tat. Sie wollte unbedingt täglich die Entwicklung beobachten. Selbstverständlich hatten wir den Kaulquappen ein lebensraumähnliches Umfeld geschaffen. Als alle Beinchen kräftig genug waren, wurden sie am Entnahmeplatz wieder der Freiheit zugeführt.

Heuer fragte sie zuvor, ob sie wieder Laich holen dürfe. Wie kann man der wissbegierigen Zehnjährigen mit dem Hundeblick widerstehen? Gar nicht.

So spazierten wir mit einem leeren Joghurtkübel gen Laichplatz. Daheim ward alles vorbereitet worden. Sand, kleine Steine, Gras und Holz hatte sie liebevoll geplant drapiert.

Bevor jedoch die neuen Mitbewohner willkommen geheißen wurden, rettete sie hunderte Kaulquappen vor dem Austrocknen, indem sie die Laichpulke von Landboden ins Bachwasser beförderte.

Zu Hause wurden die Auserwählten ins Kaulquapparium gesetzt und erhielten fortan auffallend oft Besucher… auch auswärtige.

Gestern hatte ich mal etwas Zeit für den Garten. Ich nahm mir zwischendurch einige Minuten, die mittlerweile zu beachtlicher Größe herangewachsenen Kaulquappen zu beobachten.

Es war doch eine beachtliche Anzahl, welche aus dem faustgroßen Laich geschlüpft war!

Fasziniert verweilte ich vor der schwarzen Wanne voll Leben. Sie kabberten an den Pflänzchen, den Seitenwänden, sonnten sich auf den Holzstücken und Steinen. Besonders beeindruckte mich ihr Rückenlage-Schwimmstil. Offenbar fressen sie mikroskopisch kleine Partikel an der Wasseroberfläche, indem sie rücklings schwimmend erkennbar ihre kleinen Mäuler öffnen und schließen.

Bald werden sie groß genug sein, um flügge zu werden. Sobald alle Beine ausgeprägt sind, setzen wir sie an ihrem Laichort aus.

Ich werde sie vermissen …

© G.F. Stöger 2021-04-28

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