Ich wagte schon damals, “uncooler” Jugendlicher zu sein und deren Songs anzustimmen. Nun singe ich wieder: “I still have faith in you!” Von ABBA – “Voyage”, dem ersten Album seit 40 Jahren … Und meine erste gekaufte CD dieses Jahres … (Ja, ich bin noch von der alten Garde). – Was, zugegeben, nicht sonderlich erwähnenswert ist, wäre es nicht im November (!) passiert. – Ein dreiviertel Jahr gab es keine Musik in meinem Leben, das zum bloßen “Dasein” geschrumpft war. Ich konnte – durch das permanente Corona-News-Bombardement – keinen Radio-Sender mehr einschalten. Und fröhliche Musik samt witzigen ModeratorInnen war ohnehin jenseits des für mich Erträglichen. Leonard Cohen und Ö 1 waren noch zum Jahresbeginn okay, um meine depressive Stimmung zu begleiten, die sich wohl bald in eine echte – aber von mir heldenhaft geleugnete – Depression wandelte … Irgendwann im Frühjahr stellte ich meine traditionelle Bücher-Lektüre, noch im Bett nach dem Aufwachen, wegen Lustlosigkeit ein. Bald konnte ich auch keine Zeitungen mehr lesen; meine seit Jahrzehnten abonnierten, geliebten drei (!) Tageszeitungen – Salzburger Nachrichten, Kurier und Krone – ergänzt durch die Gratisblätter Heute und Österreich sowie Wiener Zeitung, Standard und Presse an den Wochenenden, wurden, wenn überhaupt, dann nur noch lustlos durchgeblättert. Die Stapel der ungelesenen Medien wurden höher und höher. Schon füllte ich achtlos die Altpapiercontainer damit – und brach mein ewiges Tabu: Nie zuvor hätte ich ein Printmedium, ohne es “durchforstet” zu haben, wegschmeißen können. Im Sommer stornierte ich alle Abos. Der Nachrichten-Junkie vertrug seine Drogen nicht mehr. Ekelte sich. Auch vor den Polit-Sendungen im Fernsehen. Theater-Besuche? Konzerte? Kino? Nein, danke. Ich begann die Lockdowns zu “mögen”, denn so musste ich auch nirgendwo mehr hin … Besorgte Freundes-Kontakt-Versuche ignorierte ich. Ich konnte und wollte nicht mal mehr Anrufe “abheben” …
Als ich jedoch am 10. 10. – fröhlich von meinem erfolgreichen, ERSTEN Moderations- & Vortragsauftrag dieses irren Jahres – in einem mit 50 LEBENDIGEN Menschen gefüllten Saal in Goldegg – die Westautobahn heimwärts fuhr, erschrak ich förmlich, als ich mich SINGEND ertappte … Ich intonierte tatsächlich wieder ein Lied, angeregt vom offenbar unbewusst aktivierten Radio. Unfassbar! Und es machte Spaß! Spaß!!!
Wie hatte ich die großartigen Ratschläge jener, die’s wohl “gut mit mir meinten”, gehasst: “Reiß dich zusammen … Genieß den Sommer … Lass es dir gut gehen … Das Leben ist zu kurz, um traurig zu sein … Lies doch deine eigenen Bücher!” Hohohahaha … Ganz grausam war die immer wiederkehrende Frage: “Was macht dir denn Freude? Es muss doch irrrrgendwaaaaas geben, das DICH freut??!!” Heute weiß ich und empfehle es jeder/jedem, die/der KEINE Antwort auf diese “FF – Freude-Frage” parat hat: BITTE professionelle Hilfe annehmen. Es lohnt sich – und macht sooo Spaß, ABBAs “Ode to freedom” mitzusummen …
© Manfred Greisinger 2021-11-30